Monika Grubbauer: Die vorgestellte Stadt. Globale Büroarchitektur, Stadtmarketing und politischer Wandel in Wien. Bielefeld 2011.

vorgestellt von Monika Grubbauer

Seit Mitte der 1990er-Jahre wird in Wien eine wettbewerbsorientierte Stadtentwicklungspolitik verfolgt. Die Stadt versucht, ihren Ruf als Touristenmetropole zu korrigieren und sich als internationaler Wirtschaftsstandort und »Ost-West-Drehscheibe« zu präsentieren. Das Buch zeigt, wie neue Büroarchitekturen und ihre medial verbreiteten Bilder dazu dienen, diesen wirtschaftspolitischen Imagewandel zu legitimieren und neue Vorstellungen von Stadt und Stadtwirtschaft zu etablieren.

 

Architektur und Städtewettbewerb
Architektur als Imageträger im Städtewettbewerb wird vielerorts diskutiert. Meist richtet sich der Fokus dabei auf die hinlänglich bekannten Prestigeprojekte der »Stararchitekten«. Architektur wird hier vorrangig mit Blick auf das Spektakel, das sie bietet, diskutiert. Ausgangspunkt dieses Buches ist es hingegen, wenig spektakuläre, uniforme Büroarchitekturen in den Fokus zu nehmen und nach ihrer Bedeutung als mediale und gesellschaftliche Bedeutungsträger zu fragen. Verdeutlicht werden soll, dass Architektur in Stadtpolitik und Stadtmarketing nicht nur als Spektakel eingesetzt wird, sondern dass dabei gleichzeitig Wissen vermittelt  und Denkmuster geprägt werden sollen. Dies zeigt sich auch und gerade in den alltäglichen Gebrauchsbildern von Architektur und Stadt, die z.B. auf Webseiten und in Image-Broschüren zum Einsatz kommen.

Als theoretische Referenz dient Bob Jessops Konzept der ökonomischen Vorstellungswelten (economic imaginaries). Jessop (1998) argumentiert, dass lokale Ökonomien, die zum Gegenstand wettbewerbsorientierter wirtschaftspolitischer Strategien gemacht werden, zuvor notwendigerweise als eigenständige Subjekte auf diskursiver Ebene etabliert werden müssten. Dabei würden die spezifischen Grenzen einer lokalen Ökonomie, die ökonomischen und nichtökonomischen Bedingungen ihrer Existenz und ihre typischen Akteure festgelegt. Um die potenziell sinnstiftende Funktion von Architektur in der Vermittlung städtischer Politikstrategien zu untersuchen, wird Bob Jessops Konzept der ökonomischen Vorstellungswelten mit der aktuellen raumtheoretischen Debatte sowie mit architekturtheoretischen Ansätzen und diskurs- und bildwissenschaftlichen Methoden verknüpft.

Fallbeispiel Wien
Als Fallbeispiel wird die Stadt Wien herangezogen. Die sozialdemokratische Wiener Stadtregierung hat spätestens Mitte der 1990er-Jahre einen gezielten Kurswechsel hin zu einer stärker wettbewerbs- und wachstumsorientierten Stadtentwicklung vollzogen. Dabei wurde  der Mittlerposition der Stadt zwischen Ost- und Westeuropa und ihrer Rolle als »Ost-West-Drehscheibe« zentrale Bedeutung zugewiesen. Unter den Vorzeichen der neuen Stadtentwicklungsstrategien wurde ein massiver Stadtumbau in Gang gesetzt, an dem die seit Ende der 1990er Jahre neu errichteten Bürokomplexe und Bürohochhäuser einen Hauptanteil haben. Hierzu zählen das städtische Prestigeprojekt der Donau City am linken Donauufer als auch mehrere von privaten Investoren initiierte Projekte an verschiedenen Standorten in der Stadt. Eingebettet in eine historische Bausubstanz mit traditionell begrenzter Höhenentwicklung sind diese Neubauten hoch sichtbar und symbolisch aufgeladen. Ihnen kommt eine hohe mediale Aufmerksamkeit zu und in der Öffentlichkeitsarbeit des Standortmarketings und der politischen Werbung nehmen sie eine Schlüsselrolle ein.

Büroarchitekturen und neue ökonomische Vorstellungswelten
Die Untersuchung der Entwicklungsprozesse der neuen Büroprojekte und ihrer Rolle in der Selbstdarstellung und Vermarktung der Stadt Wien zeigt, dass den Büroarchitekturen in der Konstruktion neuer ökonomischer Vorstellungswelten in Wien eine äußerst wichtige Rolle zukommt. Ihre zentrale diskursive Funktion besteht darin, über die Verkörperung internationaler baulicher Typologien und Standards auch die Existenz ökonomischer Aktivitäten von internationaler Reichweite zu suggerieren. Bürobauten werden sowohl als Beweis einer erfolgreichen wirtschaftsbezogenen Internationalisierungsstrategie als auch als Voraussetzung für die zukünftige Internationalisierung der lokalen Wirtschaft präsentiert. Gleichzeitig fungieren Büroarchitekturen als bei weitem wichtigste stadträumliche Bildmotive in der Visualisierung wirtschaftspolitischer Themen.

Diese Verortung internationaler Wirtschaftsaktivitäten im Stadtraum – ihre „Verräumlichung“ – soll Plausibilität schaffen und Überzeugungsarbeit leisten, ist jedoch höchst selektiv und widersprüchlich. Es lassen sich Inkohärenzen in den diskursiven und visuellen Zuschreibungen zeigen, an denen deutlich wird, dass die postfordistische Transformation der Wiener Stadtwirtschaft nicht mit einer eindeutig ablesbaren physischen Neuordnung des Stadtraumes einher geht – ein Dilemma für die bildfixierte Arbeit des Stadtmarketings. Gleichzeitig lässt sich zeigen, dass der jüngste Stadtumbau durch Bürogroßprojekte in seinen Auswirkungen und in seinem Ausmaß durch vermittelnde Strategien der Kontextualisierung auch relativiert wird. Die Anschlussfähigkeit der neuen ökonomischen Vorstellungswelten an die in anderen Politikfeldern propagierten Stadtbilder und Identitäten, aber auch an das tradierte, gewachsene Selbstverständnis der Stadt und lokale Stadterzählungen soll gewahrt werden.

Monika Grubbauer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Interdisziplinäre Stadtforschung der TU Darmstadt

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