Paul Reuber: Raumbezogene politische Konflikte. Geographische Konfliktforschung am Beispiel von Gemeindegebietsreformen. Stuttgart 1999 (Erdkundliches Wissen 131). 370 S.

Anhand einer ex post-Analyse von vier didaktisch geschickt ausgewählten Beispielen der BRD-Gemeindegebietsreform der 60er und 70er Jahre versucht der Autor, das Konzept einer handlungsorientierten geographischen Konfliktforschung weiterzuentwickeln.

Wer von der Anwendung des handlungstheoretischen Ansatzes (endlich) konkrete raumbezogene Ergebnisse erwartet, den enttäuscht die Studie nicht. Der Aufbau der Arbeit ist klar, methodisch einwandfrei und effizient: Die Vorstellung der Leitfragen, welche die konkreten Ziele, Machtpotentiale und Strategien der Entscheidungsträger betreffen, verbindet P. Reuber mit einem Einblick in konflikttheoretische Grundlagen. Daraufhin folgt die Präsentation der empirischen Untersuchung, die sich vorwiegend auf die Analyse von Archivmaterial stützt. Als Resümee verknüpft er die empirischen Ergebnisse mit dem theoretischen Konzept. Die gesamte Argumentation beruht auf einem konstruktivistischen Weltbild, wobei u.a. moderne Rational und Public Choice Ansätze sinnvoll für die Re- bzw. Dekonstruktion des politischen Handelns der Akteure herangezogen werden. Bei der Beantwortung der Leitfragen bestätigt sich das von P. Reuber entworfene Konzept der dreifachen Subjektivierung: Eindringlich, durch Wiederholungen verstärkt, schildert er, wie die subjektiv-selektive Wahrnehmung räumlicher Strukturen zu subjektiv raumbezogenen Zielvorstellungen führt. Gleichzeitig verzerren die Akteure mit der Entwicklung strategischer Raumbilder die objektiven Strukturen ein drittes Mal (übrigens am Beispiel der Gemeinde Meerbusch besonders eindrucksvoll dargestellt). So zeigt der Autor deutlich die eigennutzenorientierten Bestrebungen der Entscheidungsträger auf und macht damit die untersuchten Gebietsreform-Konflikte verständlich. Obwohl eine Übersicht über die Vielfalt raumbezogener Konflikte fehlt (vgl. dazu z.B. Flury 1983), bildet die flüssig geschriebene Abhandlung zweifellos ein Standardwerk zum Themenkreis. Die mitunter verbesserungswürdige kartographische Ausstattung sowie einige störende Tipp- und Formatierungsfehler können diesen Wert nicht in Frage stellen.

Autor: Ernst Steinicke

Quelle: Die Erde, 132. Jahrgang, 2001, Heft 1