Christoph Becker, Hans Hopfinger, Albrecht Steinecke (Hg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. München, Wien 2003.

Auf knapp 900 Seiten bieten 76 Autoren faszinierende, aktuelle, prägnante Aussagen zu Themen, die mit Freizeit und Tourismus verbunden sind. Eine "Geographie der Freizeit und des Tourismus" ist das spannend zu lesende Buch allerdings nicht.

Auch Leser, die sich seit Jahren beruflich mit Aspekten von Freizeit und Tourismus befassen, lernen viel, denn die thematische Spannweite ist dank der geschickten Anwerbung der Autoren durch die Herausgeber wohltuend und überraschend weit gefasst. Und die Autoren haben sich diszipliniert und damit qualitätsoptimierend den Vorgaben der Herausgeber unterworfen! Zur Disziplingeschichte und den Methoden, zur Entwicklung von Freizeit und Tourismus, zur Segmentierung innerhalb der Themenfelder und den "Spielarten" wie z.B. Städtetourismus, Industrietourismus, Fahrradtourismus, zu wirtschaftlichen Aspekten und Methoden der Bewertung von Reisedestinationen - fast jeder Beitrag ist für sich allein genommen bereits den Kauf des Buches wert. Zur touristischen Entwicklung in Transformations- und Entwicklungsländern sind Beiträge von insgesamt 180 Seiten aufgenommen worden; das Buch ist also trotz einer Fokussierung auf Deutschland panglobal weit in seinem räumlichen Horizont. Der schmale Grat, den der Tourismus in der Regionalentwicklung zwischen Segen durch wirtschaftliche Gewinne und Erschließungsimpulse und Gefährdung durch Umweltbelastungen und soziale Kontamination beschreitet, wird in einigen Aufsätzen meisterhaft gezeichnet. Die sorgfältige Überarbeitung der Abbildungen, die alle graphischen Veranschaulichungen wie aus einem Wurf erscheinen lassen, besticht und ist für ein Sammelwerk unüblich. So bereichert bereits das Durchblättern mit vielen Trittsteinen. Da sich alle Autoren um quantitative Angaben bemühen, wird man viele Aussagen präzise aufgreifen können, allerdings in Kauf nehmen, dass die Halbwertszeit des Buches schneller erreicht wird als bei einem mehr qualitativ ausgerichteten Werk. "Bilanz und Ausblick" - wie im Titel versprochen - fehlen. Sie müssen vom Leser selbst geschaffen werden durch Aufarbeitung des beglückenden Mosaiks der Beiträge. Eine Einführung in die Geographie der Freizeit und des Tourismus aus der Sicht der drei Herausgeber und eine Zusammenschau der Resultate in Form von "lessons learned" wird unterschlagen. Dabei hätten Christoph Becker, Hans Hopfinger und Albrecht Steinecke dies mit am besten von allen deutschsprachigen Geographen formulieren können. Sie arbeiten kontinuierlich an fast allen Themen, die das Buch aufgreift (Christoph Becker schon seit den 1960er Jahren!) und ihre thematische Weite ermöglicht ihnen, den Sammelband so brillant zu konzipieren. Meines Erachtens hätten sie Öffnung und Zusammenführung wagen sollen. Es wäre ihnen gelungen. Das Buch hätte dann noch grösseren Wert und würde dem Titel gerecht.

Autor: Ludwig Ellenberg

Quelle: Die Erde, 134. Jahrgang, 2003, Heft 3, S. 234