Richard Heinberg: Öl-Ende, „The Party’s Over“. Die Zukunft der industrialisierten Welt ohne Öl. München 2008. 459 S.

Mit dem Titel dieses außerordentlich gründlich recherchierten Buches ist angedeutet, was uns bevorsteht: das Ende des auf billiger Energie beruhenden Überschwanges im Umgang mit wesentlichen Ressourcen und damit in nahezu allen unserer derzeitigen Gesellschaft wesentlichen Lebensbereichen. „The Party’s over“ war der Originaltitel dieser bereits 2003 in Kanada und seit 2004 auch in Deutschland in mehreren Auflagen erschienenen Darstellung.

Die den meisten Erdölgeologen längst geläufige Kernfrage, die von Politik, Industrie und Medien jedoch weitgehend verdrängt oder auf Nebenschauplätze verlegt wurde, ist die nach dem Zeitpunkt der nicht mehr oder kaum noch vorhandenenVerfügbarkeit von Erdöl. Der ist dann absehbar, wenn hinzugefundene Vorräte geringer werden als weltweiter Verbrauch. Dieser Zeitpunkt ist erreicht, Erdöl ist nicht mehr nur ein „nichterneuerbarer Rohstoff“, sondern einer, der in wenigen Jahrzehnten nicht mehr verfügbar ist. Das Ende des preiswerten Rohstoffes Erdöl ist abzusehen. Die Konsequenzen für die industrialisierte Welt sind schon deshalb drastisch, weil sie auf diese Situation nicht wirklich vorbereitet ist. Das Buch ist keineswegs ein neuer Katastrophenbericht, sondern eine sehr ernst zu nehmende Darstellung dessen, was unserer Gesellschaft bevorsteht. Richard Heinberg ist Journalist und Sachbuchautor. Er hat die erforderlichen Daten in der Erdölindustrie gründlich recherchiert, die vorliegende Ausgabe wurde darüber hinaus von Energieexperten aktualisiert und ergänzt. An der angesprochenen Kernaussage, dass die Spitzenförderung bereits überschritten ist, bei weltweit weiter steigendem Verbrauch, ist also nicht zu rütteln; das ist gründlich dokumentiert. Die Bedeutung des Buches geht jedoch deutlich über diese Aussage hinaus. In mehreren Kapiteln wird die Geschichte der Energiegewinnung, deren Nutzung und ihre Bedeutung in den jeweiligen Gesellschaften dargestellt, bis hin zur Geopolitik, den Nahostkonflikten und der Globalisierung unserer Tage. Dabei wird die enorme Bedeutung des Erdöls für die drastischen Veränderungen der Lebensgewohnheiten im Laufe des 20. Jahrhunderts ebenso deutlich wie der rasante Verbrauch dieses Energieträgers, der darüber hinaus ja auch Rohstoff für diverse Produkte unserer Zivilisation ist. In einem ausführlichen Kapitel werden die bekannten Alternativen diskutiert, die zur Verlängerung der „Party“ beitragen. Dabei kommt es zur Abwägung der Konsequenzen und im Normalfall zu der Erkenntnis, dass es sich um willkommene und in kleineren Bereichen effektive Ergänzungen handeln kann, nicht jedoch um  allgemeinwirtschaftliche Alternativen. Hier nur ein Beispiel aus dem Bereich der erneuerbaren Energien:„Die amerikanischen Bauern produzieren im Jahr ca. 7110 Pfund Getreide pro Morgen, das ergibt 341 Gallonen Ethanol. Der durchschnittliche amerikanische Autofahrer verbraucht 852 Gallonen Ethanol und bräuchte 2,5 Morgen Ackerland. Laut einer solchen Rechnung wären 500 Millionen Morgen Anbaufläche erforderlich, um die amerikanische Autoflotte mit Treibstoff zu versorgen – also 25 % mehr, als gegenwärtig existiert.“ Die Bedeutung des Getreides als Nahrungsmittel ist dabei ignoriert, schon heute haben Ansätze dieser Entwicklung Hungersnöte in Lateinamerika und Abholzung von Regenwäldern zugunsten des Anbaus von Ölpalmen in Indonesien zur Folge. Ausführlich werden auch die verbleibenden nichterneuerbaren Energieträger diskutiert. Das ähnlich preiswerte Gas verspricht keine wesentlich längere Lebensdauer, Gewinnung von Kohle wird unabhängig von ihrer klimaschädlichen Rolle immer teurer, und die Problematik der Kernenergie ist hinlänglich bekannt. Die noch in der Entwicklung befindlichen Alternativen werden hinsichtlich ihrer Kosten und der fraglichen Erfolgsaussichten ebenfalls untersucht. Ausführlich geht Heinberg auf die Auswirkungen des Endes billiger Energie auf alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche ein. Die zwangsläufige Änderung unserer Lebensgewohnheiten, die bewusst gestaltet auch der Umwelt zugute käme, diskutiert er abschließend als eine ernst zu nehmende Herausforderung‚ in der eine Chance für die Zukunft liegt.
Eberhard H. Klitzsch

 

Quelle: Die Erde, 140. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 318