Rainer Wehrhahn (Hg.): Risiko und Vulnerabilität in Lateinamerika. Kiel (Kieler Geographische Schriften 117) 2007. 316 S.

Der Doppelband umfasst 15 Beiträge, die auf einer in 2007 in Kiel veranstalteten Tagung zu dem im Titel genannten Thema vorgestellt wurden sowie drei aus dortigen Posterpräsentationen entstandene Aufsätze.
Sicherlich ist dem Herausgeber unumwunden zuzustimmen, dass Risiko und Vulnerabilität in Lateinamerika "feste Größen wissenschaftlicher Untersuchungen" sind (S. 1).

Während aber durch natürliche Prozesse (Erdbeben, Hurrikans etc.) verursachte Risiken mit ihren physio- wie anthropogeographischen Folgen schon länger im Mittelpunkt von Forschung und Politik stehen, gewinnen die "sozialwissenschaftliche Dimension der Problematik und die gesellschaftstheoretische Verankerung" (S. 1) der entsprechenden Untersuchungen erst an Bedeutung bzw. spiegeln sich neuerdings in den Untersuchungskonzepten und in den folgenden Ergebnisinterpretationen stringent wider.
Leider wird dieser Anspruch nur in einigen Beiträgen eingelöst. Zu nennen sind hier vor allem die von V. DEFFNER und E. ROTHFUSS über Salvador/ Bahia, der "Eukalyptus"-Diskurs von T. T. SCHMITT, aber werden dazu Hinweise auf die "konstruktivistische Sichtweise des diskursanalysierenden und somit diskursproduzierenden Autors" benötigt?; (S. 107) und auch der von V. SANDNER LE GALL über die Überlebenssicherung indigener Gesellschaften an der Karibikküste Nicaraguas. Theoretisch durchaus fundiert erscheinen m.E. auch die Artikel von M. NEUBURGER über die Perspektiven ländlicher Räume unter dem Risiko der Globalisierung (allerdings mit Schwächen in den "historischen Perspektiven") oder von A. B. DRÖGER zu den Entwicklungspfaden des Zuckerrohranbaus in Guayana.
Bei den anderen Studien gewinnt man den Eindruck, dass sie z.T. keinen Ausweg aus dem "Dschungel der Risikobegriffe" (S. 10) gefunden haben und das Karrierekonzept der Verwundbarkeit nur traditionellrandlich einbeziehen. M. COY hat aber in seinem Einführungsbeitrag diese Begriffe eindeutig dargestellt und vor dem Hintergrund der geographischen Lateinamerika- Forschung auch interpretiert.


Es lohnt sich, diesen wahrlich bunten "Aufsatzstrauß" allein schon wegen der herausgestellten, theoretisch fundierten Beiträge zur Risiko- und Vulnerabilitätsforschung zur Hand zu nehmen.
Günter Mertins

 

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 2, S. 208