Karl Vorlaufer: Südostasien. Geographie,Geschichte, Wirtschaft, Politik. Darmstadt (WBG-Länderkunden) 2009. 244 S.

Immer wieder streiten sich die Geographen über den wissenschaftlichen Wert von Länderkunden, insbesondere dann, wenn es sich nicht um ein einzelnes Land sondern, wie im Fall Südostasien, um einen ganzen „Kulturerdteil“ handelt, der sowohl nach Einwohnern als auch nach Fläche größer ist als die Europäische Union. Man fragt sich, wie es eine einzelne Person schaffen kann, die wesentlichen Strukturen und Entwicklungen eines derart riesigen und in sich höchst differenzierten Raumes in einem begrenzten Umfang von 244 Seiten angemessen zu erfassen.

Das vorliegende Werk zeigt, dass dies sehr wohl möglich ist, aber nur, weil es dem Autor in großartiger Weise gelungen ist, selbst komplizierte Strukturen und Prozesse in überschaubarer Form zu analysieren und wechselseitige Abhängigkeiten, etwa zwischen naturräumlichen Gegebenheiten und sozio-ökonomischen Prozessen, zu interpretieren. Bei der Bewältigung einer derart anspruchsvollen Aufgabe halfen dem Autor seine fundierten regionalen Kenntnisse, die er sich über mehr als 30 Jahre durch fast alljährliche Forschungs- und Studienaufenthalte, Durchführung von Projekten und auf ausgedehnten Reisen in allen Teilen Südostasiens aneignen konnte.
Deutlich ist die Absicht erkennbar, nicht einfach eine enzyklopädische Darstellung des Raumes anzufertigen, sondern im Stil einer modernen problemorientierten Länderkunde aktuelle Fragestellungen aus globaler Perspektive zu sichten und an ausgewählten Beispielen zu durchleuchten. Demzufolge ist das Buch nicht nach Ländern untergliedert, sondern nach Themenbereichen – von den natürlichen Standortfaktoren und der historischen Entwicklung über die Bevölkerung, die verschiedenen Wirtschaftssektoren bis hin zu Problemen der Urbanisierung und der Umwelt. Dabei überzeugt die souveräne Beherrschung auch fachfremder Disziplinen. Wenn man überhaupt ein Kapitel besonders hervorheben will, dann vielleicht das über den Tourismus, ein Bereich, mit dem sich der Autor über viele Jahre (und nicht nur in Südostasien) intensiv beschäftigt hat. Ein weiteres Sonderlob gebührt den hervorragenden Abbildungen, insbesondere den ausgezeichneten Karten und den wunderbaren, aussagekräftigen Fotos. Hinzu kommt der gut verständliche Schreibstil, eine wichtige Voraussetzung, um nicht nur Geographen und andere Wissenschaftler anzusprechen, sondern auch um das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an Südostasien zu wecken.
Fazit: Mit diesem Buch liegt uns ein höchst verdienstvolles Werk vor, ein würdiger  Nachfolger von H. UHLIGs klassischer Länderkunde „Südostasien“ (1988) und ein erfreulicher Beleg dafür, dass nach wie vor gute Länderkunden benötigt werden, als unverzichtbarer Gegenpol zu der kaum noch überschaubaren Datenflut aus dem Internet.
Ulrich Scholz

 

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 293