Angela Uttke: Supermärkte und Lebensmitteldiscounter. Wege der städtebaulichen Qualifizierung. Dortmund 2009. 336 S.

Beträchtliche Gestaltungsdefizite werden heute vor allem an unseren Stadträndern vielstimmig in der städtebaulichen Diskussion beklagt. In der von Thomas Sieverts bezeichneten Zwischenstadt entsteht hier seit Jahren in einer Auto orientierten Stadtlandschaft eine austauschbare Architektur, der es deutlich auch an ästhetischen Qualitäten mangelt. Eine besondere Rolle spielen dabei sicherlich die zahlreichen Supermärkte und Lebensmitteldiscounter, deren Standardbauten mit ihren ausgedehnten vorgelagerten Parkplatzflächen und oft überdimensionierten Werbetafeln uns allen vor Augen sind.

Christa Reicher bezeichnet sie im Vorwort der Arbeit zu Recht als die „Schmuddelkinder der Baukultur“. Deshalb ist es ein ausgesprochen löbliches Anliegen, in einer Dissertation über die Entstehungsbedingungen dieser städtischen Erscheinungsbilder nachzudenken und Möglichkeiten der städtebaulichen Qualifizierung aufzeigen zu wollen.
Dies war der Anspruch der Dissertation von Angela Uttke, die sie im Mai 2008 an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund vorgelegt hat. Leider kann die Arbeit diesen Anspruch nicht in allen Teilen einlösen. So beschreiben die beiden ersten Teile zwar durchaus korrekt und ansprechend die Geschichte der Supermärkte sowie die Trends im Lebensmitteleinzelhandel, die sich aber bereits vielfach in der Fachliteratur der Raum- und Stadtplanung finden lassen und bei der an einigen Stellen der Bezug zu ihrer eigenen Fragestellung recht knapp ausfällt. Die Abschnitte zu den durchaus informativen  Unternehmensprofilen sind eher tabellarische Darstellungen als ein runder Fließtext. Die beiden ansonsten gut lesbaren Teile sind für ein Verständnis der dann folgenden Ausführungen über die Architektur der Supermärkte und Lebensmitteldiscounter stellenweise aber schon hilfreich, weil sie die veränderten Anforderungen der Anbieter und Nachfrager an die Einrichtungen aufzeigen.
Die interessantesten Teile der Arbeit sind aus meiner Sicht das vierte und fünfte Kapitel. Hier wird die Sicht der Betreiber und Standortplaner sehr schön deutlich. Dabei geht es Angela Uttke nicht nur um Gestaltungsfragen, sondern auch um standortbezogene Aspekte. Hier gelingt es ihr, die Denkweisen der Standortplaner zu vermitteln und uns dabei auch fast beiläufig in die spezifische Terminologie der „Freestander“ und „Schubladen“ einzuführen. Rund 20 Expertengespräche sind eine wichtige Grundlage für ihre Aussagen. Sehr eindrücklich werden  einzelne Gestaltungsaspekte wie beispielsweise die kaum vorhandenen Fensterflächen der Gebäude oder die Lage und Anzahl der Stellplätze erläutert. Angedeutet werden auch die Konflikte und Aushandlungsprozesse zwischen den Betreibern, Standortplanern und den kommunal verantwortlichen Entscheidungsträgern. Hier wäre eine Vertiefung über das folgende Fallbeispiel in Dortmund wünschenswert gewesen.
Stattdessen wird im sechsten Teil dann aber letztendlich ein kommunales Einzelhandelskonzept für die Stadt Dortmund referiert, in dem die eigentlichen Forschungsfragen der städtebaulichen Gestaltung nur noch randlich behandelt werden. Hier geht es auf immerhin 50 Seiten um eine städtebauliche und empirische Analyse der Lebensmittelmärkte und ihrer Standorte in den Nebenzentren der Stadt Dortmund. Größenklassen der Lebensmittelmärkte werden bestimmt,  Stellplätze gezählt, funktionale Ausstattungen beschrieben, um daraus ein Trendszenario zu entwickeln. Hier bricht aus meiner Sicht der Charakter einer Dissertation leider ab und nimmt die Form eines Gutachtens an.
Im siebten Abschnitt werden dann in recht allgemeiner Form Qualitätsmerkmale für  Lebensmittelmärkte systematisiert und diskutiert. Hier verändert die Dissertation abermals ihren Blickwinkel. Statt die Defizite in der Gestaltung weiter über Fallstudien zu untersuchen, wird hier ein „Soll-Zustand“ für Supermärkte und Lebensmitteldiscounter formuliert. Erst mit der anschließenden Darstellung von sechs „guten Beispielen“ wird dieser Perspektivenwechsel in der Arbeit dann verständlich. So werden die sechs Fallstudien aus verschiedenen Teilen Deutschlands vorgestellt, in dem jeweils auf die verschiedenen, vorher systematisierten Qualitätskriterien Bezug genommen wird und sie jeweils abgeprüft werden. Dabei wird auch kurz auf den Prozess der Planung und Gestaltung eingegangen und somit eine Verbindung zum vierten und fünften Teil hergestellt. Lesenswert ist dann schließlich die zusammenfassende Betrachtung der Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen dieser Fallstudien.


Es wäre zu wünschen, dass die abschließenden strategischen Empfehlungen aus der Arbeit von Angela Uttke den praktischen Umgang mit der Gestaltung von Supermärkten und  Lebensmitteldiscountern verändern können. Es bleibt aber Skepsis, ob die Anforderungen der Betreiber und Standortplaner mit den Qualitätskriterien kompatibel sind, die Angela Uttke in ihrer Arbeit entwickelt hat.
Claus-C. Wiegandt

 

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 395-396