Matthias Hardinghaus: Zur amerikanischen Entwicklung der Stadt. Frankfurt/Main 2004. 202 S.

Die vorliegende Arbeit stellt die überarbeitete Fassung einer Dissertation dar. Sie bedient sich eines handlungsorientierten Ansatzes, mit dessen Hilfe die Beziehung zwischen der immateriellen Kultur, d. h. den protestantischen Leitbildern, und der topologischen Entwicklung, d. h. dem City-Suburb-Phänomen der amerikanischen Stadt, aufgeklärt wird.

Religiöse, vor allem protestantisch-calvinistische Leitbilder erweisen sich demnach als Motivation und Befähigung der Realisierung der Handlungsentwürfe der Siedler und der nachfolgenden amerikanischen Generationen. Die Arbeit ist demnach dem ausgeweiteten System einer Geographie der Geisteshaltung, d. h. der Religionsgeographie und Ideologiegeographie zuzuordnen, die sich mit Einflüssen von religiösen Vorstellungen und säkularen Einstellungen auf räumliche Strukturen und Prozesse beschäftigt. Fragestellung, Zielsetzung und theoretische Prämissen der Arbeit werden in den einleitenden zwei Kapiteln dargestellt. Typische amerikanische Idealfiguren und Lebensmodelle, vor allem der Business-Man und der Self- Made-Man, nehmen eine herausragende Mittlerrolle ein, die ihren Lebensstil vorzugsweise in der Topologie der City und der Suburbs praktizieren können. Im dritten Kapitel erfolgt die Überprüfung der Theorie, zunächst indem religiöse Deutungsmuster für die Interpretation des neuen Kontinents thematisiert werden, wie z. B. der Garten Eden als irdisches Paradies und die moralische Wildnis. Im vierten Kapitel steht die politische Dimension der protestantischen Stadt-Land-Vorstellung im Mittelpunkt. So führte die Idealisierung der Natur, deren religiöse Verflechtung und der Glauben an die Tugendhaftigkeit einer ruralen Lebensform schließlich in die Vision der demokratischen Suburbs. Im fünften Kapitel werden schließlich die dem Protestantismus inhärenten ökonomischen Leitgedanken hinsichtlich ihrer topologischen Konsequenzen befragt. Der calvinistische Glaube an die göttliche Gnadenwahl wandelte sich nämlich zu einer säkularisierten Verhaltensethik, in der u. a. das Streben nach materiellem und sozialem Erfolg zur moralischen Verpflichtung wurde. Die Leitfigur des erfolgreichen Business Man führte hier zur ökonomisch zentralisierten City. Diese Leitbilder sind wesentlicher Bestandteil des Bezugsrahmens der handlungsorientierten Siedler und damit auch integraler Bestandteil des "American Way of Life". Die Arbeit gibt am Beispiel der amerikanischen Entwicklung der Stadt einen guten Einblick in die Beziehungen zwischen Geisteshaltungen und Raumstrukturen und stellt somit insgesamt eine bereichernde Erweiterung der Geographie dar. Ähnliche Untersuchungen wären zunächst innerhalb der Stadtgeographie anderer Kulturregionen aber auch in der Wirtschafts- und Verkehrsgeographie sowie in der Raumplanung möglich und sinnvoll.

Autor: Gisbert Rinschede

Quelle: Die Erde, 136. Jahrgang, 2005, Heft 1, S. 37