Christoph Dittrich: Bangalore: Globalisierung und Überlebenssicherung in Indiens Hightech-Kapitale. Saarbrücken 2004 (Studien zur Geographischen Entwicklungsforschung 25). 451 S.

Bangalore gilt als Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs einer Entwicklungsländer-Metropole auf der Basis internationaler technologiebasierter Serviceleistungen. Großes mediales Interesse besteht an den Errungenschaften der Region; doch werden Schattenseiten des Booms und Marginalisierungsprozesse gerne übersehen.

Das vorliegende Buch - die Habilitationsschrift des Autors - rückt jenen "blinden Fleck" ins Zentrum der Aufmerksamkeit und thematisiert Kehrseiten der Globalisierung. Dies geschieht vor allem mit Blick auf sozialräumlich disparitäre Entwicklungen und Probleme der Existenzsicherung. Der Autor verknüpft gängige Theorien zu negativen Globalisierungs-Implikationen mit den Ergebnissen eigener empirischer Arbeiten in Bangalore (1997-2000). Nach genereller Erörterung des Themenfelds Globalisierung und Urbanisierung werden Ansätze zu Armutswirkungen der Globalisierung diskutiert. Etwas unvermittelt, d.h. ohne Resümee, welche Theorie-Aspekte als Leitfragen die strukturierende Grundlage der Fallstudie bilden, geht der Autor dann auf Indien und Bangalore ein. Er beschreibt die historische, ökonomische, politische und sozial(räumlich)e Entwicklung Indiens bzw. des Bundesstaates Karnataka und der Stadt Bangalore seit der Kolonialzeit, speziell Trends der Liberalisierung sowie wachsender sozio-ökomischer wie regionaler Disparitäten. Die städtische Expansion wird anhand eigener Karten detailliert aufgezeigt. Aufschlussreich sind insbesondere die Informationen zu ungleichen Lebensverhältnissen und Armutsproblemen in Land und Region (u.a. Bangalorer Slums) gemäß Auswertung von Literatur, Medienberichten und anderen Quellen. Hierauf folgt die Präsentation der empirisch gewonnenen Ergebnisse. Leider erfahren LeserInnen erst jetzt (ab S. 313 bzw. 332!), welche Arbeiten durchgeführt wurden (Befragung von je 250 Haushalten in zwei Wohnvierteln, Kartierungen, teilnehmende Beobachtung). Detailinformationen zu diversen Aspekten der Lebenssituation werden dargestellt, ohne jedoch dezidiert Bilanz über Positiv- versus Negativwirkungen der Globalisierung zu ziehen bzw. ein systemisches Analyseschema zugrunde zu legen. Ob die dokumentierten Armutsprobleme wirklich hauptsächlich globalisierungsbedingt sind oder vielmehr aus den generellen sozio-politischen Verhältnissen Indiens resultieren (ungebremstes Bevölkerungswachstum, Sozialdarwinismus, ausbeuterische Eliten), kann nicht überzeugend dargelegt werden. Wegen fehlender Bezüge zu anderen Studien urbaner Livelihoods in Indien oder sonstigen Entwicklungsländern bleibt offen, ob Bangalore ein (indienspezifischer?) Regel- oder Sonderfall ist. Insgesamt holt das Buch teils zu weit aus und lässt im analytischen Ansatz zu wünschen übrig, wird den komplexen Ansprüchen der zentralen Fragestellung nur teilweise gerecht. Doch wird ein Beitrag zu einem realistischeren Bild des Erfolgsmythos Bangalore geleistet. Armut prägt Indien ggf. nicht so sehr wegen, aber sicherlich trotz der Globalisierung.

Autorin: Martina Fromhold-Eisebith

Quelle: Die Erde, 136. Jahrgang, 2005, Heft 1, S. 45