Uwe Altrock, Sandra Huning, Thomas Kuder, Henning Nuissl, (Hg.): 20 Jahre Planung seit der Wiedervereinigung. Planungsrundschau Nr. 20. Berlin 2010. 351 S.

Die Aufsatzsammlung «20 Jahre Planung seit der Wiedervereinigung», herausgegeben von Uwe Altrock, Sandra Huning, Thomas Kuder, Henning Nuissl umfasst 15 Teilkapitel. Diese umfassen neben Einführungen Beiträge zur Stadtentwicklung, zur Regionalentwicklung und Raumordnung, zur Infrastrukturplanung und zum Berufsfeld.

 

Ausgangspunkt der Publikation war, dass Deutschland am 9. November 2009 das 20-jährigeJubiläum des Mauerfalls beging und am 3. Oktober 2010 der 20. Jahrestag der Wiedervereinigung gefeiert wurde. Dieser Anlass war die Grundlage für die Betrachtung von Raumentwicklung und Raumplanung in den alten und neuen Bundesländern in den vergangenen Jahren. Dabei ging es den Herausgebern, wie sie in einem einführenden Kapitel schreiben, nicht nur um die Darstellung und Beschreibung der Raumentwicklung und Raumplanung in den vergangenen 20 Jahren und damit auch um die Darstellung von «alten und neuen Problemen», sondern um die Diskussion und Bewertung von Erfahrungen und um die Frage, «welche dieser Erfahrungen für künftige Herausforderungen fruchtbar gemacht werden können» (S.7).

In dem Kapitel «20 Jahre Planung seit der deutschen Wiedervereinigung» von den  Herausgebern, wird eingangs die Entwicklung der Raumplanung in den neuen Bundesländern und in den westlichen alten Bundesländern kurz skizziert. Dabei wird darauf eingegangen, dass insbesondere ein Spannungsfeld zwischen den (öffentlichen) Interessen der Stadt- und Regionalplanung und wirtschaftlichen Interessen (z.B. im Bereich des Einzelhandels oder der Gewerbeentwicklung) bestanden und  bestehen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Wohnungspolitik und die Stadtentwicklung gelenkt. Der Beitrag von Ehrhard Neubert befasst sich mit dem Thema der Transformation 1989/90 und stellt noch einmal die historischen Fakten der Wiedervereinigung dar. Dabei zeichnet sich der Beitrag durch hohes historisches und zeitgenössisches Faktenwissen aus. Der Bogen wird dabei von den ersten Krisenzeichen und dem offenen Konflikt im September 1989 über den Mauerfall und die Selbstermächtigung am 9. November 1989 bis Januar 1990 bis hin zu den freien Wahlen und dem gesellschaftlichen Wandel gespannt.

Ein dritter Beitrag im Einführungskapitel befasst sich mit der «gewonnenen Planlosigkeit» (Harald Kegler). Dieser Beitrag ist soweit äusserst informativ, als er sich vor allem mit der wirtschaftlichen Entwicklung in der früheren DDR befasst.

In einem zweiten grossen Kapitel befassen sich fünf Beiträge mit Prozessen in der Stadtentwicklung. Besonders interessant ist dabei der Beitrag von Holger Leimbrock, der Plan- und Markt-induzierte Entwicklungsprozesse in ostdeutschen Mittelstädten nach der deutschen Wiedervereinigung darstellt. Besonders ist dabei von Bedeutung, dass in dem Beitrag vor allem auf die Entwicklungen von Einzelhandelsinvestitionen und deren Wirkungen eingegangen wird.

Dietrich Henckel befasst sich in einem weiteren Beitrag im Kapitel «Stadtentwicklung» mit den Entwicklungschancen deutscher Städte und gibt Einschätzungen aus der Rückschau. Er stellt dabei eine Studie zum deutschen Städtesystem dar, die Anfang der 90er Jahre für das Deutsche Institut für Urbanistik entstand. Der Beitrag setzt sich durchaus kritisch mit dieser Studie auseinander.

«10 Jahre Schrumpfungsdiskurs in Ostdeutschland – theoretische Perspektiven» (Thilo Lang) – ein Beitrag, der das Thema «Schrumpfung» auch unter dem Aspekt des Perspektivwandels und der Schwierigkeiten des Wandels darstellt. Besonders interessant ist dabei, dass Lang die neuen Ansätze beispielsweise der Anpassungseffizienzen in Hinblick auf Schrumpfungsprozesse aufgreift und diskutiert. Ein weiterer Beitrag von Wolfgang Weiss befasst sich mit regionaldemographischen Aspekten der integrierten Stadtentwicklungskonzepte im Stadtumbau Ost am Beispiel ausgewählter Städte im Nordosten Deutschlands. Auch dieser Beitrag ist sehr fundiert und zeigt vor allem die  demographischen Veränderungen in ausgewählten Städten (z.B. Stralsund) auf. Im Kapitel «Stadtentwicklung» befasst sich ein letzter Beitrag von Florian Koch mit Urban Gouvernance in mittel- und osteuropäischen Metropolen, wobei es das Ziel des Beitrags ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede mittel- und osteuropäischer Stadtentwicklungspolitik zu identifizieren. Koch gelingt es dabei, sehr anschaulich diese herauszuarbeiten.

Ein drittes Kapitel befasst sich mit Raumordnung und Regionalentwicklung im vereinigten Deutschland. Christian Diller stellt dabei einen Beitrag vor, der sich mit «20 Jahre Raumordnung im vereinigten Ostdeutschland: vom Ziehkind zum Innovator» befasst. Diller stellt dabei die verschiedenen Entwicklungen beispielsweise im Bereich der Landesplanung in Berlin-Brandenburg dar. Interessant ist dabei die Überlegung, dass der Osten «einholt und überholt», wobei er dies insbesondere an adaptiven Innovationen instrumenteller Art darlegt (z.B. Stadtumlandkonzepte in Mecklenburg-Vorpommern, regionale  Entwicklungskonzepte in Thüringen oder institutionelle Innovationen in Gestalt einer gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg). Der Beitrag ist überaus fundiert und umfasst eine Vielzahl von instrumentellen und methodischen Informationen, wobei es nicht versäumt wird, auch inhaltliche Fragestellungen (beispielsweise demographischer Wandel, Klimawandel) aufzunehmen.

Philipp Zakrewski befasst sich in seinem Beitrag mit dem Verflechtungsraum der Hauptstadtregion und mit der Raumordnungspolitik in Berlin-Brandenburg seit 1989. Auch dieser Beitrag zeigt eine fundierte Kenntnis der landesplanerischen,  regionalplanerischen sowie regionalen und kommunalen Situation in Berlin-Brandenburg auf. Besonders interessant sind dabei die neuen Überlegungen zum  Thema «Hauptstadt Region».

«Prozesse nachhaltiger Regionalentwicklung zwischen Anspruch, Erfolgskontrolle und Ausblick» stelle Isolde Roch in ihrem Beitrag dar. Roch zählt zu den überaus ausgewiesenen Kennern der planerischen Ausgangssituation in der früheren DDR und zu den profunden Experten im Bereich der Darstellung von Prozessverläufen in den neuen Bundesländern sowie in deren regionalen Teilräumen. Interessant ist dabei das Kapitel der Ansprüche der Raumordnung nach der politischen Wende, wobei es Roch gelingt, dies anschaulich an ausgewählten Beispielen (z.B. Bad Schlema oder Plauen) darzustellen. Von Bedeutung ist dabei insbesondere, dass sie sich mit ökonomischen und ökologischen Fragen auseinandersetzt und in einem abschliessenden Kapitel die neue Ausgangssituation für Ostdeutschland, insbesondere die Bedeutung von Megatrends darstellt.

Den Abschluss im Bereich des Kapitels «Raumordnung und Regionalentwicklung bildet der Beitrag «Gemeinsam besser schrumpfen? – Zur Leistungsfähigkeit partizipativer Ansätze in der Regionalentwicklung von Schrumpfungsregionen» von Thomas Weith und Nadine Gaasch. In diesem Beitrag geht es vor allem um Fragen der Partizipation als Lösungsansätze für Probleme in peripheren Schrumpfungsregionen. Es gelingt den beiden Autoren, den Ansatz der Partizipation an ausgewählten Beispielen (INTERREG-Projekten) darzulegen.

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit «der Infrastrukturplanung». Ein erster Beitrag von Sandra Huning und Matthias Naumann greift das Thema «Am Erfolg gescheitert? Infrastrukturplanung in der Brandenburger Wasserwirtschaft seit 1990» auf. Dabei werden zunächst die Leitbilder der Infrastrukturplanung in Deutschland dargestellt und diese sodann an den Planungen im Bereich des Wassersektors diskutiert. Interessant ist dabei das abschliessende Kapitel, das sich mit der Zukunft der Infrastrukturplanung befasst.

Ein zentrales Thema greift Helmut Holzapfel mit Fragen der Verkehrsplanung in den neuen Bundesländern und Erfahrungen aus der Praxis auf. Dabei geht er auch auf die daraus entstehenden Konflikte im Bereich Ökologie und Wachstum ein.

Ein abschliessendes Kapitel, das auch zur Betrachtung der letzten 20 Jahre seit der Wiedervereinigung betrifft, ist die Beobachtung des Berufsbilds von Stadtplanern und Folgerungen für die Ausbildung. So interessant die Diskussion in diesem Kapitel anhand von neuen und alten Aufgaben sowie anhand von Profilen und interdisziplinären Ausrichtungen ist, so wäre es doch wünschenswert gewesen, das Kapitel nicht nur auf den Bereich der Stadtplanung zu konzentrieren, sondern auch den Bereich der  Regionalentwicklung und Regionalplanung mitaufzunehmen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Aufsatzsammlung «20 Jahre Planung seit der Wiedervereinigung» eine interessante Aufsatzsammlung darstellt, die, wie nicht anders zu erwarten war, im starken Masse auf die Situation in den neuen Ländern eingeht. Besonders interessant sind dabei, beispielsweise auch für Studierende, die nicht der «Erlebnisgeneration» angehören, die historischen Betrachtungen und die Bewertung von Fakten, Entwicklungen und Prozessen.

Insgesamt handelt es sich um eine durchaus lesenswerte Publikation, die dazu beiträgt, dass auch im Bereich der Raumplanung und Raumwissenschaft die tiefgreifenden Veränderungen, die durch die deutsche Wiedervereinigung in beiden Teilen Deutschlands erfolgten, nicht in Vergessenheit geraten.
Gabi Troeger-Weiß

Quelle: disP 186, 3/2011, S. 103-104

 

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