Ralf Eriksson u. Jan Otto Andersson: Elements of Ecological Economics. New York 2010. 164 S.

"Ecological economics is [...] a system of knowledge that tries to bring together the housekeeping of humans (economics) and the housekeeping of nature (ecology)." (54) Auch wenn es Verf. zufolge bis dahin noch ein weiter Weg ist, ist ein solch anspruchsvolles und interdisziplinäres Projekt zwingend aufzugreifen. Die Frage ist nur: Wie?

 

Verf. bestimmen das "global ethical trilemma" (2) als zentrales Arbeitsfeld der Ökologischen Ökonomie, d.h. die Dreiecksbeziehung zwischen gesellschaftlichem Reichtum und Wachstum, (globaler) Verteilungsgerechtigkeit sowie ökologischer Nachhaltigkeit. Das Trilemma bestehe darin, dass derzeit allenfalls Strategien für die gemeinsame Lösung zweier dieser Probleme entwickelt würden und folglich das jeweils dritte ungelöst bleibe. Die Umweltökonomie etwa konzentriere sich auf Nachhaltigkeit bei gleichzeitigem Wachstum, vernachlässige aber die Verteilungsgerechtigkeit, während die "global social democracy" (7) die Nachhaltigkeit den anderen Zielen unterordne. Die Ökologische Ökonomie, deren Entstehung in die 1960er Jahre zurückreicht und mit Forschern wie Kenneth E. Boulding, Herman Daly oder Joan Martinez-Alier verknüpft ist, suche daher nach einem Weg, die drei Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. Denn die Aufnahmekapazität der Erde für menschlichen Abfall ist ebenso erschöpft wie die natürlichen Ressourcen.

Um einen solchen Weg zu finden, arbeiten Verf. die drei Kernthemen auf und stellen u.a. verschiedene Methoden aus Nachhaltigkeitsforschung, Volkswirtschaftslehre und Philosophie vor. Aus der Philosophie werden z.B. anthropo-, bio- und ökozentrische Ethiken wie verschiedene Gerechtigkeitsprinzipien - Gleichheits-, Differenz-, Wohlfahrts- und libertärer Ansatz - rezipiert. Die Volkswirtschaftslehre liefert Konzepte wie den Gini-Koeffizienten (ein Ungleichheitsmaß) und die IPAT-Gleichung, die den menschlichen Einfluss (impact) auf die Umwelt als Produkt aus Bevölkerung (population), Pro-Kopf-Konsum (affluence) und Ressourcen- bzw. Emissionsintensität der Technologie (technology) ausdrückt. Aus der Nachhaltigkeitsforschung eignen sich Ökologische Ökonomen den ökologischen Fußabdruck, die "cowboy economy" und "spaceman economy" (57) ebenso an wie die miteinander in Konflikt stehenden Nachhaltigkeitskonzepte von Robert M. Solow, John M. Hartwick, David Pearce und Daly. Zu Lasten der Allgemeinverständlichkeit geht diese umfangreiche Darstellung einzelner Methoden nicht. Dazu dient auch deren Veranschaulichung. So zeigen Verf. anhand des Klimwandels z.B. den Zusammenhang zwischen ökonomischem Wachstum und dem Anstieg der CO2-Emissionen und erläutern am Beispiel der Ostsee Möglichkeiten nachhaltigen Politikmanagements.

Wenn die Ökonomie nicht anerkennt, dass die Erde "absolute limits" (59) besitzt, müssen der "growthmania" (130), die bis dato mit einem ständig wachsenden "throughput" (9) an Natur einherging, politisch Grenzen gesetzt werden. "Growth is not possible anymore without a very high and rising cost on nature". (20) Die Ökonomie könne allerdings von der steigenden Produktion und dem wachsenden Verbrauch von Energie und Material entkoppelt und in eine "steady state economy" (131) umgewandelt werden. Der "radical shift in the economic priorities [...] from ›growth‹ towards ›degrowth‹" (135) wäre nur möglich, wenn Wachstum nicht konsumistisch und ausschließlich ökonomisch aufgefasst würde. Verf. legen daher nur hochentwickelten Staaten nahe, eine Degrowth-Strategie zu verfolgen, während sie für andere Staaten (ökologisches) Wachstum nicht ausschließen. Grüne Steuern, eine graduelle Senkung der Arbeitszeit und öffentliche Investitionen in soziales und ökologisches Kapital seien aber für beide Entwicklungswege sinnvolle Instrumente. Sie trügen zur Reduktion des Energie- und Materialverbrauchs bei, schafften Arbeitsplätze trotz steigender Produktivität und erschwerten angeblich die private Akkumulation von Profiten. Ob diese Maßnahmen ausreichen, klären Verf. nicht abschließend. Zumindest aber fordern sie einen Wertewandel, der einige zentrale Vorstellungen des Kapitalismus z.B. Reichtum - reformieren soll.

Hierin liegt die Krux: Zwar wollen Verf. Nachhaltigkeit zu einem Eckpfeiler langfristiger Wirtschaftspolitik machen und das ökonomische Wachstum einschränken bzw. umkehren. "All this, however, [...] does not mean that the market model should be abandoned." (50) Stattdessen soll mit Methoden wie der "contingent valuation" (52) der Natur ein Wert bzw. Preis - zwischen beidem wird im Buch nicht differenziert - verliehen werden, der neben ökonomischen auch auf ethischen Kriterien basiert und beim einheitlichen Management von natürlichen und ökonomischen Ressourcen berücksichtigt werden soll. "The valuation of natural capital is [...] one that all sustainability concepts have to handle somehow. If not, it may seem doubtful that the view in question takes sustainability seriously." (65) Diese Argumentation durchzieht die gesamte Darstellung. Trotz umfassender Kritik an klassischer Wirtschaftslehre und realer Wirtschaftsentwicklung verbleiben die Vorschläge der Verf. im Rahmen des Kritisierten.

Wenn das Herzstück des Kapitalismus - das Streben nach ökonomischem Wachstum als logische Konsequenz aus der Entwicklung der Wertformen - als Ursache der ökologischen Verwüstungen erkannt wird, reicht es jedoch nicht, die kapitalistische Produktionsweise nur ökologisch modernisieren, aber nicht aufheben zu wollen. Damit würde dem Wachstumsimperativ des Kapitals lediglich die Spitze genommen, ohne den inhärenten Widerspruch zwischen ökonomischem Wachstum und Nachhaltigkeit zu beseitigen, der nicht nur für Tiere "mostly a question of (risk of) extinction" (37) ist. Der Versuch, eine ökologisch und sozial gerechtere Ökonomietheorie zu konzipieren, die z.B. die Wertetrias von Freiheit, Gleichheit und Fürsorge aufnimmt oder der Natur einen Wert bzw. Preis beimisst, gleicht einer Quadratur des Kreises. Er verkehrt das Verhältnis von Theorie und Praxis, solange die Ökonomie weiter herrlich Ausbeutung, Zerstörung und Unterdrückung der Natur perpetuiert.

Es wäre allerdings kurzsichtig, deshalb wissenschaftlich fundiertes Handwerkszeug über Bord zu werfen, das z.B. Aussagen über die Beziehung zwischen globaler Einkommensverteilung und den gravierenden Naturdestruktionen ermöglicht. Solches findet sich reichlich im Buch. Der "genuine progress indicator", der neben dem Bruttoinlandsprodukt u.a. ökologischen Verfall und Einkommensungleichheit berücksichtigt, hat z.B. ergeben, dass der "nachhaltige ökonomische Wohlstand" pro Einwohner in den letzten Jahrzehnten in den USA kaum angestiegen ist (72). Die Lösung des globalen ethischen Trilemmas erfordert allerdings eine andere Theorie als Verf. sie unterbreiten.
Christian Stache (Hamburg)

Quelle: Das Argument, 53. Jahrgang, 2011, S. 479-481

 

zurück zu Rezensionen

zurück zu raumnachrichten.de