Will Potter: Green Is the New Red - An Insider's Account of a Social Movement. San Francisco 2011. 302 S.

Was bewegt einen us-amerikanischen Journalisten dazu, Analogien zwischen derVerfolgung linker Dissidenten in den USA während der McCarthy-Ära und der seit über 20Jahren andauernden Repression gegen die US-Tierrechts- und Umweltbewegung zu ziehen? Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen beiden historisch-spezifischen Konstellationen wirkt der Vergleich auf den ersten Blick unhistorisch, politisch motiviert, sogar ein wenig anmaßend.

Potter insistiert allerdings darauf, dass seine - trotz aller Erfahrungen als Bewegungsmitglied - nüchtern-analytische Darstellung der Parallelen keine Gleichsetzung impliziert. So variiert z.B. die Zahl der Betroffenen zwischen damals und heute beträchtlich. Hinweisen soll die Analogie darauf, dass "die zentralen Charakteristika der Kommunistenverfolgung nicht an eine Epoche gebunden sind. [...] Sie leben in den Maßnahmen fort, mit denen neuen politischen und kulturellen Bedrohungen begegnet wird" (243).

Die wesentlichen Gemeinsamkeiten zwischen dem Kampf gegen die einstige ›rote‹ und der gegenwärtigen Offensive gegen die ›grüne Gefahr‹ sind die Strategien der herrschenden Klasse. Sie bedient sich ihrer gesetzgeberischen, juristischen, illegalen und medialen Gewalt, um die Entwicklung der us-amerikanischen Umwelt- und Tierrechtsbewegung zu kontrollieren und zu einer zahnlosen Reformbewegung zu degradieren. Die gesetzgeberischen Schritte gehen zurück bis in die 1980er Jahre, als Gruppen wie Animal Liberation Front (ALF), Earth Liberation Front (ELF) oder Earth First! (EF) erstmals nennenswerte illegale Aktionen gegen Tierversuchslabore oder die massive Abholzung von Wäldern durchführten. "Die legislativen Veränderungen verliefen schrittweise, erst wurde ein Fundament geschaffen und dann wurde dieser Rahmen [...] beständig ausgeweitet, bis sie die rechtliche Infrastruktur des Landes umgekrempelt hatten." (130) Der im Fahrwasser des ›Kriegs gegen den Terror‹ verabschiedete Animal Enterprise Terrorism Act (2006) gibt US-Behörden z.B. die Möglichkeit, Bürger- und Menschenrechte außer Kraft zu setzen, wenn die Profite von Unternehmen der sog. Tier- oder der Holzindustrie durch politische Proteste beeinträchtigt werden. Die juristischen Elemente der Repression veranschaulicht Potter am größten Prozess gegen die Tierrechtsbewegung in der us-amerikanischen Geschichte. Die Organisatoren der Kampagne Stop Huntingdon Animal Cruelty (SHAC) wurden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie eines der weltweit führenden Tierversuchslabore mit zivilem Ungehorsam an den Rand des Ruins trieben. Die illegalen und medialen Mittel illustriert Potter u.a. am Beispiel der illegalen Überwachungsprogramme der National Security Agency und einer rechtlich nicht abgesicherten Form von Sondergefängnissen: den sog. "Communication Management Units (CMU)" (210). Letztere sollen verhindern, dass Inhaftierte von "inspirational significance" (216) mit der Außenwelt kommunizieren können; derzeit sind die Insassen dieser Gefängnisse zu 70% Muslime. Für Potter sind die CMUs Ausdruck einer spezifischen Interpretation der US-Verfassung: präventiver Schutz vor potenziellen Gefahren - diese Auslegung der Rechtsnormen lag auch der Einrichtung von Sondergefängnissen wie in Guantánamo Bay zugrunde. Dass in den CMUs auch Tierrechtsaktivisten eingekerkert werden, ist keine Überraschung mehr. Nicht nur medial hat sich für die Mitglieder der Tierrechts- und Umweltbewegung analog zur Entwicklung der Rechtslage spätestens seit den 1990er Jahren die Feindbestimmung "Terroristen", präziser "Öko-Terroristen" etabliert. Think Tanks, rechte NGOs, Unternehmen, Politiker und Zeitungen versuchen hartnäckig, den Begriff in der Öffentlichkeit und den Rechtsnormen zu verankern. Für das FBI ist "Öko-Al-Qaeda" (Washington Post, 58) die "größte terroristische Bedrohung im Inland" (25).  

Dieser Propaganda geht Potter genauer nach: nach welchen Kriterien können Teile der Tierrechts- und Ökologiebewegung als ›Terorristen‹ diskreditiert werden? Auch wenn u.a. die Vereinten Nationen seit Jahrzehnten ergebnislos über eine einheitliche Definition streiten, weisen die meisten Bestimmungen im Kern drei Gemeinsamkeiten auf: Terrorismus sei der unrechtmäßige Einsatz von Gewalt eines nicht-staatlichen Akteurs, der unter einer großen Bevölkerungsgruppe Angst verbreitet und eine Veränderung der Regierungspolitik bezweckt. Akzeptiert man diese Definition, wird die Bigotterie der US-Regierung offensichtlich. Während zahlreiche rechtsradikale Gruppen wie die christliche Huratee- Miliz oder der Ku Klux Klan nicht als Terroristen verfolgt werden, obwohl sie Menschen umbringen, Angst und Schrecken verbreiten und eine christlich-fundamentalistische bzw. rassistische Politik erzwingen wollen, wird die Umwelt- und Tierrechtsbewegung zum "Staatsfeind Nummer 1" (44) innerhalb der eigenen Grenzen erklärt. Darüber hinaus kommt Potter zu dem Schluss, dass es der "unausgesprochene Grundsatz einer jeden Terrorismusdefinition ist, dass sie nicht auf die systemimmanente Gewalt der Mächtigen gegen die Schwachen anwendbar ist. [...] Wenn eine Guerilla eine Bombe legt und dutzende Zivilisten tötet, ist es ein terroristischer Akt. Wenn eine Bombe aber von einem Militärflugzeug abgeworfen wird und Tausende tötet, handelt es sich um Außenpolitik" (41).

Die Analogie zur McCarthy-Ära dient Potter also nicht nur dazu, die etablierten Strategien der "rechtserhaltenden Gewalt" (Benjamin) unter veränderten historischen Bedingungen zu zeigen. Verf. verweist auch auf das Opfer, das die falschen Verhältnisse den Menschen noch immer abverlangen, wenn sie deren bestimmte Negation in der Praxis betreiben, um das gesellschaftlich produzierte Leiden von Tieren wie Menschen zu überwinden.
Christian Stache (Hamburg)

Quelle: Das Argument, 53. Jahrgang, 2011, S. 629-630

 

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