Jacob Park, Ken Conca u. Matthias Finger (Hg.), The Crisis of Global Environmental Governance. Towards a New Political Economy of Sustainability. Oxon-New York 2008. 226 S.

Ausgangspunkt des Sammelbands ist der Niedergang der globalen Umweltpolitik seit dem Rio-Gipfel 1992. Damals - so die Hg. - sei diese noch von "vorsichtigem Optimismus" geprägt gewesen, das seitdem Erreichte sei jedoch enttäuschend (2ff). Diese Diagnose führt zu zwei Leitfragen: Was ist schief gelaufen, d.h.wieso ist die "Sicherung der ökologischen Zukunft der Menschheit heute politisch und sozial so unbedeutend", und wie soll es weitergehen? (5)

Die Hg. sehen drei Ursachen für das Scheitern des Rio-Prozesses. Erstens sei die alles überrollende Dynamik von "industrieller Entwicklung, technologischem Wandel und ökonomischer Globalisierung" unterschätzt worden; zweitens liege der Fokus auf dem Umgang mit grenzüberschreitenden Umweltproblemen, während national weiter "Wachstum-als-Entwicklung" propagiert werde, was von einem unzureichenden Verständnis der globalen Umwelt-Entwicklungs-Probleme zeuge; drittens habe sich die allzu "staats-zentrierte Vorstellung von politischem Wandel" als nicht tragfähig erwiesen, u.a. da die Staaten die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen konnten(6).Um zu einer wirksameren und gerechteren globalen Umweltpolitik zu gelangen, müsse zunächst das "falsche und veraltete Verständnis der Funktionen, Ebenen und Akteure von environmental governance" im Rio-Prozess aufgegeben werden, das weder der Bandbreite der globalen Umweltprobleme noch dem "neuen ökonomischen Terrain des globalen Neoliberalismus" gerecht werde (10). Statt des traditionellen staats-zentrierten Ansatzes bedürfe es neuer Formen zivilgesellschaftlicher politischer Partizipation, die den gesamten politischen Entscheidungsprozess verändern, auf verschiedenen Ebenen von lokal bis global angesiedelt sind und auch Akteure jenseits von Parteien und NGOs zulassen. Zudem sei ein neues institutionelles Gefüge nötig, das mehrere Ebenen umfasst und die verschiedenen Umweltprobleme nicht separat behandelt (ebd.).

Wie die Hg. konstatieren mehrere Verf. die Unterordnung der globalen Umweltpolitik unter ökonomische Interessen. Peter Newell zufolge ist die Umweltdebatte auf Lösungen und Instrumente verengt, die zum gegenwärtigen Neoliberalismus passen (z.B. Emissionshandel, Labeling oder Standardsetzung durch private Akteure). Die neoliberale Kritik am Staat stärke private oder "weiche" Formen der Umweltregulierung und verdränge alternative, umweltpolitisch effektivere Ansätze (82). Auch Ulrich Brand und Christoph Görg sehen das im Rio-Prozess zentrale Konzept der Nachhaltigkeit von gesellschaftlich-politischen Kräfteverhältnissen geprägt, die der neoliberalen Globalisierung innewohnen (23). Ähnliches diagnostiziert Finger in Bezug auf internationale Institutionen: die UN thematisiere Umwelt v.a. als Sicherheitsproblem; Weltbank, IWF und mit ihnen transnationale Unternehmen und große Umweltverbände wie der WWF sähen die Umwelt v.a. als Grundlage für weiteres Wirtschaftswachstum; und die WTO sei v.a. mit der Regulierung von Märkten beschäftigt. Umweltprobleme, die sich mit keinem dieser Ansätze lösen ließen, würden nicht gelöst (51ff).

Es werden auch Divergenzen zwischen den Beiträgen sichtbar. So konstatiert Finger, dem "Staat als Institution" werde in der Analyse der Umweltpolitik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt (34), während Gabriela Kütting in ihrem Beitrag zur globalen politischen Ökonomie der Textilproduktion feststellt, (staatliche) Institutionen würden zu sehr beachtet (58). Hinsichtlich emanzipatorischer Perspektiven ruft Newell dazu auf "to work with progressive elements within the state [...], lobby firms and investors directly" (92), während Brand/Görg den Versuch der Partnerschaft mit mächtigen Akteuren der neoliberalen Globalisierung als Schwächung notwendiger Kritik sehen (14). Allerdings werden im Band weder solche Kontroversen explizit geführt noch wird eine Synthese von Gemeinsamkeiten versucht.

Darrell Whitmans Beitrag zur "widersprüchlichen Geschichte" (169) des Stakeholder-Begriffs sticht aufgrund seiner Originalität heraus. Er identifiziert zwei Ursprünge des Begriffs: In einer bis ins 17. Jh. zurückreichenden Tradition des anglo-amerikanischen Rechts bezeichnet Stakeholder eine Person, die kein eigenes Interesse an einer bestimmten Angelegenheit hat und deshalb die Interessen derjenigen vertreten soll,die dies nicht selber tun können. Die zweite Wurzel liegt in Management-Theorien der 1960er Jahre, die Stake-holder-Prozesse propagieren, um Akteure mit konfligierenden Interessen einzubeziehen und Unternehmen so schneller und effektiver managen zu können - ein Stakeholder ist dort nur, wer ein ausgeprägtes Eigeninteresse hat. Whitman zufolge dominiert das letztere "antidemokratische" Verständnis (ebd.) die sich immer weiter verbreitenden Stakeholder-Prozesse in der heutigen Umweltpolitik, bei denen meist im Vorhinein genau feststeht, wer teilnehmen darf und über was beraten wird (163f). Um Stakeholder-Prozesse hingegen als Instrumente demokratischer Partizipation zu etablieren, müsse an die historisch-juristi-schen Wurzeln angeknüpft werden (181).

Insgesamt ist der Versuch zu begrüßen, die weitgehend fruchtlose politische Diskus-sion der letzten Jahre über das Fehlen einer effektiven und kohärenten internationalen Umweltpolitik nicht durch weitere Aufrufe zu besserer Koordinierung, mehr Geld oder die Schaffung neuer (staatlicher) Institutionen zu verlängern, sondern stattdessen die instituti-onellen und ökonomischen Grenzen gegenwärtiger internationaler Umweltpolitik sichtbar zu machen. Allerdings macht der Band - abgesehen vom positiven Bezug auf bestimmte zivilgesellschaftliche Akteure wie z.B. die Bewegungen für Umweltgerechtigkeit (Henri Acselrad, 108) oder die Weltsozialforen (Brand/Görg,29) - wenig konkrete Vorschläge, wie es mit der internationalen Umweltpolitik weitergehen soll.
Christiane Gerstetter (Berlin)

Quelle: Das Argument, 53. Jahrgang, 2011, S. 953-954