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Kategorie: Rezensionen

Johann Ludwig Burckhardt: Durchs Heilige Land nach Petra und zur Halbinsel des Berges Sinai. Hrsg. von Uwe Pfullmann. Berlin (Edition Morgenland 5.) 2010. 214 S.

Die von Uwe Pfullmann in der Reihe "Edition Morgenland" bearbeiteten, kommentierten und herausgegebenen Berichte früher Forschungs- und Entdeckungsreisender sind mittlerweile zu einem fest etablierten Bestandteil jeder historisch und kulturgeschichtlich fundierten Beschäftigung mit Ländern des Nahen Ostens geworden. Mit dem Ziel, sie einer breiteren Öffentlichkeit leicht zugänglich zu machen, erschienen in der Schriftenreihe bisher die Reiseberichte von Georg August Wallin über seine Reisen in Arabien (Bd. 1), über das Land Midian von Richard Francois Burton (Bd. 2), über die Reisen durch die Landschaft Hadramaut von Adolph von Wrede (Bd. 3) und über Maurice Tamisiers Reisen in den Hochländern Arabiens (Bd. 4; s. Dittmann 2009).

Darüber hinaus hat sich Pfullmann jedoch auch durch eine Vielzahl weiterer Orientbücher einen Namen gemacht, wozu insbesondere die Biographie von Ibn Saud sowie das "Entdeckerlexikon Arabische Halbinsel" gehören. Bereits 1994 hatte Pfullmann Burckhardts Reisebericht "In Mecka und Medina. An den heiligen Stätten des Islam" kommentiert und herausgegeben. Der nun anzuzeigende Band beschäftigt sich mit den Reisen Burckhardts in Syrien und den Hochländern Jordaniens mit der Entdeckung der Felsenstadt Petra sowie mehreren Reisen über die Halbinsel Sinai bis nach Kairo. Die Neuauflage ist gegenüber dem 1050 Seiten umfassenden und in zwei Bänden 1823 unter dem deutschen Titel "Reise in Syrien, Palästina und der Gegend des Berges Sinai" erschienenen Original erheblich gekürzt.

Der 1786 in Lausanne geborene Johann Ludwig Burckhardt entstammte einer Patrizierfamilie aus Basel, verbrachte eine von Sorgen und materiellen Nöten weitgehend freie Jugend, in der ihn schon früh die Entdeckungsgeschichten von James Cook faszinierten, und studierte in Leipzig, Göttingen und London Philosophie, Arabische Sprache und Kultur, Mineralogie, Biologie und Medizin. Als Mitglied der britischen "African Association", einem wichtigen Instrument der Vorbereitung der kolonialen Durchdringung Afrikas, hoffte er, sich an maßgeblichen Entdeckungen auf dem afrikanischen Kontinent beteiligen zu können. Seine ersten Forschungsreisen führten in über Aleppo, Damaskus und den Hauran in Syrien in die die Hochländer Jordaniens, wo er am 22. August 1812 die in Europa bereits seit langem in Vergessenheit geratene ehemalige Nabatäer-Hauptstadt Petra wieder fand. Diese Entdeckung zählt bis heute zu den herausragenden Leistungen Burckhardts. Seine Beschreibungen der geheimnisvollen Felsenstadt, die Schilderungen der versteckten Lage und der vielen Grabanlagen der seit Jahrhunderten nicht mehr bewohnten Stadt faszinierten in Europa eine breite Leserschaft und inspirierten so manchen Reisenden dazu, in Burckhardts Fußstapfen Vergleichbares zu versuchen. Unter ihnen ist Alois Musil als einer der erfolgreichsten anzusehen, auch wenn es ihm schließlich auf politischer Ebene nicht gelang, am Vorabend des ersten Weltkrieges Araber und Osmanen miteinander zu versöhnen. Burckhardt hatte das Glück vom ägyptischen Pascha Mohammed Ali protegiert zu werden und konnte so, inzwischen zum Islam konvertiert, in Arabien auch Mekka und Medina besuchen. In Afrika unternahm er zwei Reisen nach Oberägypten und Nubien, konnte aber seinen großen Traum, die Sahara von Kairo aus mit einer Fezzan-Karawane zu durchqueren, nicht mehr erfüllen. Er starb 1817 in Kairo, wo er unter seinem arabischen Namen, Sheikh Ibrahim Ibn Abdallah, beigesetzt wurde. In seinem Testament hatte er die 350 Feldbücher seiner Reiseaufzeichnungen der Bibliothek der University of Cambridge vermacht. Bis heute ist nur ein Teil davon veröffentlicht worden.

Wichtig sind vor allem Burckhardts Beschreibungen von Petra und die Beobachtungen zum Beduinentum auf der Sinai-Halbinsel. Hier faszinierte ihn vor allem die Überlebensgeschichte des Katharinenklosters am Moses-Berg. Einem Firman-Schutzbrief für das Kloster, den der Prophet Mohammed angeblich per Handabdruck besiegelt haben soll, maß er allerdings dennoch keinen Echtheitswert zu und fand auch sonst nur wenig Lobenswertes zu Ordnung und Systematik in der Bibliothek des Klosters. Unter den Beobachtungen Burckhardts, die bis heute von besonderer Relevanz für aktuelle Forschungen sind, gehören seine Aufzeichnungen zur Felsbildkunst des Sinai. An verschiedenen Rastplätzen entlang seit Jahrhunderten begangener Karawanenrouten und Reisewege hat er solche mehrfach vorgefunden und - oft unter Zeitdruck - beschrieben. Teilweise handelte es sich dabei um die gleichen Fundstellen, die vor ihm bereits der Orientreisende Carsten Niebuhr dokumentiert hatte. Burckhardt hat sich nur selten der Mühe unterzogen, größere Umzeichnungen solcher Felsgravierungen anzustellen und hat vorzugsweise dort, wo er eine Schrift oder schriftzeichenähnliche Gravierungen vorfand, diese teilweise umgezeichnet. Der mit vielen Sprachen vertraute und fließend Arabisch sprechende Forscher konnte die damals noch nicht entzifferte nabatäische Schrift nicht lesen, hat sie aber teilweise vorbildgetreu von Felsen umgezeichnet (S. 188). In der Wiederauflage der Edition Morgenland sind teilweise leider nur die Anfangszeichen einiger Zeilen (S. 105) oder umgezeichnete Wasm (= arab. Stammesbesitzzeichen) wiedergegeben (S. 121). Wichtiger als die Umzeichnung von Felsbildern und -inschriften ist für die aktuelle Diskussion um die Altersbestimmung sinaitischer Petroglyphen jedoch Burckhardts Beobachtung, dass zu seiner Zeit die Beduinen des Sinai noch mehrfach die Anfertigung von einfachen Ritzzeichnungen als Felsbilder praktizierten (S. 121). Die Felsbildkunst existierte also - wenn auch in einer künstlerisch besonders einfachen Form - noch bis in geschichtliche Zeiten - eine Feststellung, die im Sinai später nur noch für einige wenige Bereiche und Anlässe festgestellt werden konnte (Dittmann 1988, 1989). Die Mehrzahl der von Burckhardt dokumentierten Felsbildfundstellen gehört den später von Anati chronologisch eingeordneten Sinai-Felsbildstilen III und IV an und ist damit leider zu jung, um für paläoklimatische Rekonstruktionen früherer Umweltverhältnisse ausgewertet werden zu können. Burckhardt misst ihnen - ebenso wie Niebuhr - keine besondere kunsthistorische Bedeutung bei. Er interpretiert die überwiegende Mehrzahl der dargestellten Motive als "Bergziegen" oder "wilde Ziegen", während man heute sowohl für den Sinai, die ägyptische Eastern Desert und den Hedschas davon ausgeht, dass es sich überwiegend um Gravierungen des Nubischen Steinbocks handeln dürfte, die zwischen 500 v. Chr. und 1500 n. Chr. entstanden.

Dem heutigen Leser der überarbeiteten und stark gekürzten Wiederauflage erscheinen die Aufzeichnungen Burckhardts hier und da naturgemäß nicht ganz komplett. So ist beispielsweise auf S. 105 die Rede von durchnummerierten Inschriften (Nr. 11, 12 und 13), welche sich im Edition Morgenland-Band jedoch nicht wiederfinden lassen und es wird auch Niebuhr mit "im ersten Bande, Tab. L." zitiert, ohne dass Niebuhrs Werke im Literaturverzeichnis aufgeführt sind. Allgemein leiden gekürzte Wiederauflagen historischer Reiseberichte unter drucktechnischen und verlegerischen Zwängen, die u. a. dazu führen, dass die auch in den Originalen schon nur schwer lesbaren (wenn überhaupt noch vorhandenen) alten Karten durch Verkleinerung ins Druckformat die Grenzen des Entzifferbaren hinter sich lassen. Dies ist besonders bedauerlich, stellen doch die alten Entdeckerkarten - damals wie heute, häufig den Hauptwert der alten Reisebereichte dar. Insgesamt aber wird ein sauber ediertes Werk vorgelegt, das schon aus Gründen der leichten Handhabbarkeit und der verbraucherfreundlichen Anhänge, vor allem aber wegen der kompetenten Auswahl der wichtigsten Textstellen in jede - nicht nur entdeckungsgeschichtlich orientierte - Bibliothek gehört.
Andreas Dittmann

Literatur:

Anati, E. (1981): Felsbildkunst im Negev und auf Sinai. Bergisch-Gladbach.
Dittmann, A. (1988): Als die Wüste Weide war. In: Jahrbuch 1987 der Marburger Geographischen Gesellschaft. Marburg, 112-118.
- (1989): Paläogeographie und Petroglyphen. Frankfurter Geowissenschaftliche Arbeiten 25. Frankfurt, 43-73.
- (2009): Buchbesprechung:"Tamisier, Maurice: Reise in den Hochländern Arabiens". In: Erdkunde 63 (1), 86.
Niebuhr, C. (1778): Reisebeschreibung nach Arabien und anderen umliegenden Ländern. 2 Bde., Kopenhagen.
Pfullmann, U. (Hg.) (1994): Johann Ludwig Burckhardt: In Mecka und Medina. An den heiligen Stätten des Islam. Berlin.


Quelle: Erdkunde, 65. Jahrgang, 2011, Heft 3, S. 315-316