Thomas Krings: Sahelländer. Mauretanien, Senegal, Gambia, Mali, Burkina Faso, Niger. Darmstadt 2006. 220 S.

Thomas Krings, der wohl kenntnisreichste Sahelspezialist unter den deutschen Geographen, stellt sieben westafrikanische Länder mit hohem Sahelanteil als einen Raum vor, der gekennzeichnet ist von großer ethnisch-kulturell-religiöser Vielfalt, aber auch von gemeinsamen, länderübergreifenden Handlungsstrukturen und -prinzipien der Tradition und des Alltagslebens.

Es wechseln überblicksartige Darstellungen (vor allem aus der Physischen Geographie) mit sehr differenzierten, prozesshaften Analysen (z.B. zum Geflecht der ethnisch-sozialen Gruppen im Wandel) ab. Damit handelt es sich streng genommen also nicht um eine geographische Länderkunde, sondern um eine fächerübergreifende Regionalanalyse. Das Buch ist in 12 Hauptkapitel gegliedert, die von den geschichtlichen Grundlagen über die physisch-geographischen Raumstrukturen bis zum Sahel in einer globalisierten Welt reichen. Dieser Aufbau ermöglicht zwei Leseweisen: Man kann den Band, je nach Bedürfnis, als Lexikon benutzen (was durch ein Orts- und Sachregister noch unterstützt wird) oder aber sich auf das einlassen, was Krings' eigentliche Botschaft ist: die klassische kulturgeographische Perspektive durchgängig mit einer sozialwissenschaftlich orientierten Entwicklungsforschung zu verknüpfen. Physische und Kulturgeographie, Geschichte, Wirtschaft und Politik werden in Blick auf relevante Probleme wie Armut und Hunger, Verstädterung, Agrarwirtschaft und Ernährungssicherung, informeller Sektor synthetisiert. Damit ist dieser Band mehr als eine Regionalgeographie. Immer, wo es sich anbietet und ein tieferer Einblick in die Handlungsbedingungen und Handlungsprobleme gewonnen werden kann, verknüpft Krings die Makroebene (Handlungen auf überregionaler bis globaler Ebene) mit der Mikroebene (Handlungen der Menschen in lokalen Kontexten) vor dem Hintergrund ökologischer und historisch entstandener Bedingungen. Berücksichtigt man, dass der Sahel eigentlich nur während der beiden "Jahrhundertdürren" um 1970 und 1980 im Blick einer interessierten Öffentlichkeit stand und entsprechend den in diesen Zeiten dominanten Entwicklungstheorien verengt analysiert wurde, so liegt der besondere Wert dieses Buches darin, dass er weit über die Dürre-Hunger-Problematik hinausreicht und vor allem die nur Spezialisten bekannten jüngeren Forschungsergebnisse aufarbeitet und über die Analyse hinaus auch mögliche Zukunftsperspektiven in den Blick nimmt. Sollte man hervorheben, für wen dieses Buch - über den Kreis der Afrikainteressierten hinaus - besonders wertvolle Dienste leisten könnte, denke ich an Geographielehrer. Diese müssen sich nach wie vor mit Schulbüchern begnügen, die den Sahel aus der überholten Perspektive des ursprünglichen Desertifikationsansatzes darstellen, also weitgehend "frei" von gesellschaftswissenschaftlichen Interpretationen wie etwa dem Arenakonzept. Diesen wären die Kapitel "Strukturen der Unterentwicklung" und "Die Agrarwirtschaft" besonders ans Herz gelegt. Das Lesen erfordert dennoch einiges an Geduld, Folge eines sehr engen Drucks mit kleinen Drucktypen. Entschädigt wird der Leser aber wieder durch die hervorragenden großformatigen Farbphotos, Karten und Graphiken.

Autor: Dieter Schmidt-Wulffen

Quelle: Die Erde, 137. Jahrgang, 2006, Heft 4, S. 317-318