Drucken
Kategorie: Rezensionen

Marco Hereth: Reurbanisierung durch Reaktivierung? Konversionsflächen als neue Quartiere des Stadtwohnens am Beispiel des Ackermannbogens in München. Bayreuth (Bayreuther Geographische Arbeiten 29) 2010. 94 S.

Mit der Kausalitätsfrage "Reurbanisisierung durch Reaktivierung?" macht Marco Hereth im Titel seiner als Diplomarbeit am Geographischen Institut der Universität Bayreuth entstandenen Arbeit die Zielrichtung der Untersuchung direkt deutlich: Beispielhaft soll das "wirkungsvolle Gefüge" zwischen dem Potential innerstädtischer Brachflächen und dem steigenden Interesse am Stadtwohnen untersucht werden. Damit knüpft die Arbeit an aktuelle Reurbanisierungsdebatten an, legt aber mit der  Untersuchung eines bestimmten Flächentyps als Wanderungsziel einen neuen Schwerpunkt.

Zielorientiert wird in der Arbeitsdefinition nach ausführlicher Diskussion des Themas Suburbanisierung der Fokus auf einen qualitativen Bedeutungsgewinn der Kernstadt (Qualität der Wohnung und Qualität des (weiteren) Wohnumfeldes) gelegt. Kompakt und verständlich werden im theoretischen Part die Grundlagen für die empirische Analyse gelegt. Die gut belegte Literaturarbeit lässt auf eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema schließen. Die Darstellungen verschiedenster Entwicklungen (z.B. Bevölkerungsentwicklung, Mobilitätskostenentwicklung, Wandel von Haushaltsformen, städtebaulicher Wandel und Stadtimage) legen die Grundlage für das Verständnis der allgemeinen Rahmenbedingungen und unterstreichen den Bedeutungsgewinn der Städte als Wohnort. Eine Überleitung zur Fallbeispielstadt München bleibt jedoch aus, sodass diese Aspekte eher "vom Himmel" fallen. Auch in den folgenden Ausführungen zum Thema Konversion vermischt sich die theoretische Auseinandersetzung mit der Darstellung des Fallbeispiels. Der sonst gut strukturierte Textablauf hätte hier leserfreundlicher gestaltet werden können und somit das gesamte Kapitel 3 inhaltlich stringenter wirken lassen. Die empirischen Befunde zu Zuzugsmotiven und Wohnortpräferenzen wurden aus der Perspektive einer verhaltensorientierten Sozialgeographie gewonnen. Der Schwerpunkt liegt auf der Bewertung der vom Individuum wahrgenommenen Umwelt und dem daraus resultierenden Entscheidungsverhalten der zugezogenen Haushalte im Fallbeispiel Ackermannbogen. Die Auswertung der quantitativen Befragung verläuft entlang nachvollziehbarer Kategorien und in übersichtlicher und zugleich umfassender Weise. Die durchgeführten Experteninterviews tangieren die Thematik jedoch nur am Rande und ergänzen die quantitativen Ergebnisse minimal. Die aufgebrachten Forschungsfragen werden als Abschluss kompakt und lesenswert zusammengefasst - mit dem interessanten Ergebnis, dass von den befragten Zuzüglern keine Reurbanisierungstendenz abgeleitet werden kann. Mit dem Slogan "Stay in the City" (statt "Back to the City") bringt Hereth sein Ergebnis auf den Punkt. Dagegen fallen aus angewandt-planerischer Sicht die zu Beginn der Arbeit angekündigte Analyse und daraus resultierende Hinweise für zukünftige Steuerungsmöglichkeiten seitens der Stadtplanung sehr kurz aus. Eine für 87 Seiten Text (inkl. Abbildung etc.) sehr detaillierte Gliederung führt den Leser zwar durch die Arbeit, stört aber an der einen oder anderen Stelle auch den Lesefluss. Umfassende graphische Aufarbeitungen (42 Abbildungen (darunter auch Fotos) und 12 Tabellen) unterstützen den Text und stellen gleichzeitig wichtige Ergebnisse für eine einfache visuelle Erfassung in den Vordergrund. Sowohl die Ausführung des theoretischen Gerüsts als auch die Durchführung und Auswertung der empirischen Untersuchung übertreffen die Anforderungen an eine Diplomarbeit - Rechnung getragen wird dieser Tatsache durch die Veröffentlichung in den Bayreuther Geographischen Arbeiten. Auch wenn die theoretische Herleitung des Untersuchungsbedarfs schlüssig ist, wäre eine weitere Fokussierung auf zukünftige Handlungsoptionen für die Stadtplanung und weitere Akteure wünschenswert - die untersuchten Ansprüche der Zielgruppe legen dafür eine gute Grundlage.
Jana Werring (Münster)

Quelle: Die Erde, 143. Jahrgang, 2012, Heft 3, S. 254-255