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Kategorie: Rezensionen

René Anliker: Naturschutz in der Schweiz – und die ausländische Wohnbevölkerung? Eine Studie im Auftrag der Dr. Bertold Suhner-Stiftung (BSS). Erlenbach 2011. 30 S.

Ein Titel, der Aufsehen erregen muss. Nicht weil es um den Naturschutz geht, sondern weil die grossen öffentlichen Aufgaben rund um den Lebensraum – von der Raumplanung und dem Städtebau über die Verkehrsplanung, den Natur- und Heimatschutz bis hin zum Umweltschutz – darauf angewiesen sind, dass die Öffentlichkeit mitwirkt. Es gibt nun mal keine Abfallentsorgung, keine menschennahen Überbauungsplanungen, keinen belebten Städte und Dörfer, keinen Tierschutz, keinen Landschaftsschutz, kein Energiebewusstsein, wenn nicht alle hier lebenden Menschen mittun.

 

Und dies sind neben den schweizerischen Bürgerinnen und Bürgern auch die hier lebenden Ausländer, die mit über 20 Prozent einen markanten Teil ausmachen. Sie einzubeziehen, fällt nicht leicht, allein schon deshalb, weil wir sehr wohl wissen, dass auch nicht alle Schweizerinnen und Schweizer von sich aus ihrem Umfeld aktiv Sorge tragen und sich dafür einsetzen. Zusätzlich stellen sich bei Ausländern bisweilen Zurückhaltung und kulturelle Nuancierungen ein.

Erfreulich: Die Dr. Bertold Suhner-Stiftung (BSS) mit Sitz in St. Gallen, erfolgreich und mit hohen Anforderungen dem Natur- und Landschaftsschutz zugetan, hat eine Studie zur Frage veranlasst, ob und wie es gelingen könnte, die ausländische Wohnbevölkerung am Natur- und Landschaftsschutz zu beteiligen. Die prägnant formulierte Untersuchung wurde von René Anliker verfasst – ein souveräner Politikberater, Soziologe und Raumplaner (Uni Zürich, NDS ETH Zürich) aus Erlenbach ZH. Die Studie erhebt nicht den pädagogischen Zeigefinger und verliert sich nicht in theoretischen Erörterungen, sondern lädt ein, mitten im Umfeld gesellschaftlichen Wandels (mit Einbussen  freiwilligen Engagements) verstärkt die Schönheiten der bebauten Umwelt und der offenen Landschaften zu erhalten, zu mehren, wie auch die Natur im Grossen und im Kleinen zu schützen und zu pflegen. Erhalten, Gestalten – beides! Sollte es gar gelingen, Teile der aus dem Ausland stammenden Bevölkerung für den Natur- und Landschaftsschutz persönlich zu gewinnen und zu begeistern, so wäre dies gleichzeitig ein Beitrag zur besseren Integration. Die Studie redet also dem aktiven «Dabeisein» in Vereinigungen des Vogelschutzes, des Natur- und Heimatschutzes etc. das Wort, so wie es da und dort, beispielsweise in den Fussballclubs, für andere Lebensbereiche bereits recht geschickt geschieht.

Das Problem, das die Studie der erwähnten BSStiftung unterstreicht, ruft geradezu nach konkretisierenden Fallstudien, die reich an Anregungen sein sollen. Im Vorwort deutet der Stiftungsrat an, dass er bereit sei, solche, wenn immer möglich, zu unterstützen. Wichtig wäre aber vor allem, dass es allenthalben gelingt, die Ausländer vermehrt in das aktive Geschehen positiv einzubeziehen. Dies setzt Anstrengungen aller Organisationen voraus, beginnend bei den Tierparks, den Schulen, den Vogelbeobachtungen, den Schrebergärten, den Raumplanungsämtern, den Behörden etc. Es erfordert aber auch Mitgliedschaften in den entsprechenden Vereinen, und nicht zuletzt eine Beteiligung im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Planungsmitwirkung als Betroffene, als Berührte, unabhängig von der Staatsbürgerschaft.

Die Studie ist allein schon deshalb für weite Kreise lesenswert, weil sie aus einer beachtenswerten Grundhaltung heraus Menschen zusammenführen will – für den Landschaft-, Natur- und Umweltschutz, für das Gestalten des Lebensraums, als verbindende Herausforderungen. Der Adressatenkreis ist breiter als der Titel vermuten lässt. Er reicht übrigens auch ins Ausland, das vor verwandten Problemstellungen steht. Die BSS ist bereits vor geraumer Zeit aufgefallen durch eine Studie zur Siedlungsökologie. Es wäre schön, wenn sich das neu formulierte Anliegen gerade auch mit dem früher lancierten Schwerpunkt verbinden würde. Gleichsam vor der Haustür von Jedermann für Jedermann.
Martin Lendi, Zürich

Quelle: disP 188, 1/2012, S. 109-110

 

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