Matthias Zürker 2007: Cluster als neue Komponente der wirtschaftsbezogenen Raumentwicklung. Gabi Troeger-Weiss (Hrsg.): Materialien zur Regionalentwicklung und Raumordnung. Kaiserslautern: TU Kaiserslautern, Bd. 22. 319 S.

Die relativ junge Lehre von der Regionalwirtschaft/ Regionalpolitik verfügt bereits über eine eigene Geschichte. Wie weit sie zurückzuverfolgen ist, scheint eine offene Frage. Das seit mehr als einem halben Jahrhundert inspirierende Umfeld der Raumplanung scheint das Suchen nach Selbstverständnis und optimalen Strategien zu fördern.

 

Die Ansätze der Stärkung regionaler Zentren, der innerregionalen Infrastrukturförderung, der endogenen Entwicklung, der Kooperationsbemühungen und der Netzwerkbildung markieren bisherige Etappen. Sie sind, zurückblickend, nicht einfach überholt, doch signalisiert die rasche Abfolge eine gewisse Rastlosigkeit, nicht aber Ratlosigkeit. Strategien müssen stets auf ihre Wirksamkeit überprüft und folglich in rascher Folge mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. Daraus resultieren unweigerlich neue Akzentsetzungen. Die neuste gilt dem Instrument der Cluster, bei denen es gezielt um das Bündeln der regionalen Stärken und um das Aktivieren der Potentiale geht. Ob die Clusterstrategie der Weisheit letzter Schluss ist und bleibt, darf und muss kritisch gefragt werden. Die Koppelung wenig entwicklungsfähiger Regionen mit den wirtschaftsstarken scheint bei anhaltender Stosskraft der Städte und Agglomerationen mit nationalen /internationalen Wettbewerbsvorteilen unumgänglich zu werden, doch auch hier nicht unter völligem Verzicht auf die bisher dominanten Ansätze, sondern unter deren dosiertem, abgestimmtem Einbezug.

Hier gilt es nun eine Dissertation anzuzeigen, die sich sehr grundsätzlich und gleichzeitig sehr praxisnah voll der Cluster-Strategie widmet, verfasst in Kaiserslautern, unter Evaluation der Clusterpolitik Oberösterreichs und in Ausrichtung auf Deutschland. Allein schon diese ausgreifende Sicht zwang den Autor, die EU-Vorgaben mit einzubeziehen und vertieft nach den allgemeinen Grundlagen zu fragen. Spannend an dieser Arbeit sind nicht primär die Fallstudien, sondern es sind die Vertiefungsgedanken zur «Clusterphilosophie».

Kritisch widmet sich der Autor dem Clusterkonzept, das bei den führenden «Erfindern» bekanntlich vom Zusammenführen von Branchen ausging. Der Verfasser der Doktorarbeit scheut sich nicht, das Konzept als unscharf zu erklären, vor allem der vielfältigen Herangehensweisen wegen. Es beinhalte denn auch keine in sich geschlossene Theorie, sondern setze sich aus verschiedenen, bereits bekannten Ansätzen zusammen – und dies nicht nur mit Relevanz für die Regionalökonomie, sondern auch für andere Wissenschaftszweige. Der Autor plädiert deshalb für das Entwickeln eines spezifischen regionalökonomischen Clusterkonzeptes unter Bezugnahme auf die räumliche Komponente. Im Kern geht es um Wertschöpfungssysteme, basierend auf Unternehmensnetzwerken, eingebunden in die gesamträumliche und in die konkrete regionale Situation. Mehr ist hier nicht zu verraten. Die umfangreichen Folgeüberlegungen leuchten ein und sind deshalb äusserst lesenswert. Das Beispiel Oberösterreichs und die Übertragung der Erkenntnisse auf Deutschland mit Akzenten gerichtet auf Bayern, Mitteldeutschland und Hannover sind aufschlussreich und nachvollziehbar.

Als kritischer Aspekt verbleibt die für den Autor scheinbar unabdingbare Verquickung von staatlichem und wirtschaftlichem Agieren in Zweckgemeinschaft.Ein gewisser Graben tut sich möglicherweise auf. Clusters wirtschaftlicher Prägung suchen zwingend den Wettbewerb mit dem Risiko des eigenen Versagens am Markt resp. der wirtschaftlich von extern sich aufdrängender Korrekturnotwendigkeiten – wider die ursprünglichen Intentionen. Die staatlichen Komponenten suchen demgegenüber politische und vor allem gesellschaftliche Stabilität, konkret in Richtung Arbeitsmarktverhältnisse. Ob die postulierte enge raum- und wirtschaftsbezogene Zusammenarbeit unter diesen Umständen letztlich vertretbarer ist? Müsste nicht deutlicher gefragt werden, wie sich die staatlichen und die wirtschaftlichen Kompetenzen verstehen – mit Blick auf die ordnende Raumplanung, mit Blick auf die wettbewerbsnahe Wirtschaft?

Wie dem auch sei, hier liegt eine Dissertation vor, die Aufschlüsse theoretischer und praktischer Art vermittelt. Sie kann und darf als weiterführend bezeichnet werden.

Martin Lendi, Zürich

 

disP 172, 1/2008, S. 99