Wim van Spengen: Tibetan border worlds. A geohistorical analysis of trade and traders. London, New York 2000. 307 S.

Warum schreibt ein Geograph 19 Jahre nach den dreimonatigen Feldarbeiten bei den Nyishangba von Manang im nordwestlichen Zentralnepal und dreizehn Jahre nach der Veröffentlichung der wesentlichen empirischen Ergebnisse in der in Kathmandu herausgegebenen Zeitschrift Kailash ein Buch, das wiederum die tibetischen Händler von Manang behandelt? Zwei Gründe veranlassten WIM VAN SPENGEN zu diesem Unterfangen, das nur aus einem anschließend aufgekommenen Unbehagen mit dem damaligen Zeitgeist der wirtschafts- und sozialgeographischen Theoriedebatte erklärt werden kann. Erstens hat sich in der Zwischenzeit die konzeptionelle Diskussion weiterentwickelt, und zweitens erhofft sich der Autor von der Neuinterpretation weiterführende Erkenntnisse zur Einbindung seiner Regionalstudie in größere Zusammenhänge tibetischer Handelsnetzwerke. Mit diesem Buch präsentiert WIM VAN SPENGEN eine überaus lesenswerte und kritische Reflektion über die ihn bewegenden Ansätze. Die Verflechtung von Raum und Zeit, von Struktur und Handlung wird präsentiert in einer Weiterentwicklung der genres de vie von Vidal de la Blache in ihrer Anwendung in der von Fernand Braudel begründeten Schule der Annales. Regionale Geographie fußt hier auf einer historischen Betrachtung, die den strukturellen Rahmen für die Handlungen der Akteure abgibt. Von früheren mono-kausalen Erklärungsansätzen distanziert sich WIM VAN SPENGEN durch einen die lokale Fixierung sprengenden geohistorischen Ansatz, der regionale und überregionale Bedingungen und Transformationen einbezieht und die Giddensche Strukturation hinsichtlich ihrer "time-space-edges" kritisch hinterfragt (p. 9). Als Bindeglied führt er die "regionality" ein, die steht "... for the recognizable identity of a particular history of human groups at the intersection of an interlocking whole of locational-physical, political-economic, and socio-cultural universes"
(p. 52). Damit gelingt es WIM VAN SPENGEN in überzeugender Weise, jenseits "ökologischer Anpassungsstrategie"- oder "Wirtschaftsgeist"-Debatten eine komplexe Antwort auf die Frage zu geben, warum die Nyishangba aus einem peripheren Himalaya-Tal zu erfolgreichen Fernhändlern in Süd- und Südostasien geworden sind. Die anzuzeigende Studie kann allen anempfohlen werden, die über die Fallstudie und Fragen des innerasiatischen Fernhandels hinaus an einer Diskussion und Reflektion über eine "neue" regionale Geographie interessiert sind.    
Autor: Hermann Kreutzmann

Quelle: Erdkunde, 55. Jahrgang, 2001, Heft 2, S. 202-203