Angela Langenkamp: Structural changes of the potter's craft in Kenya. Regional and gender based disparities. Osnabrück 2000 (Osnabrücker Studien zur Geographie, Band 18). 372 S.

Das Ziel der Studie ist es, in Ergänzung bisheriger Erkenntnisse über das Töpfereihandwerk in Kenia, die sich nach Einschätzung der Verfasserin ausschließlich auf den traditionellen Ursprung des Handwerks konzentrierten, solche gesellschaftlichen Kräfte in den Blick zu rücken, welche in der Gegenwart die Prozesse der Anpassung und des Wandels in diesem Kontext beeinflussen und steuern (S. 40). Die Darstellung der Erkenntnisse aus einer neunjährigen Felderfahrung und einer intensiven Phase der Feldforschung in den Jahren 1995 bis 1996 gliedert sich in drei Blöcke, deren erster in 7 Kapiteln grundlegende Fragestellungen für die folgenden empirischen Untersuchungen anspricht, deren zweiter in 6 Kapiteln die empirischen Ergebnisse beschreibt und analysiert und deren dritter aus lediglich einem kurzen Schlusskapitel besteht, in dem Forderungen an politische Reformen formuliert werden.

Einleitend arbeitet die Autorin wichtige Facetten auf, die im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand in der Literatur bisher Beachtung fanden. Der Leser findet unter anderem Hinweise zu Fragen der Definition des Töpfer-Handwerks, zu den soziökonomischen Grundstrukturen und der gesellschaftlichen Einbindung des Töpferhandwerks in Afrika, zu den europäischen Einflüssen auf das Handwerk und eine Darstellung der Zielsetzungen und der Stringenz sektorpolitischer Maßnahmen zu der Handwerksförderung sowie eine Beurteilung der gegenwärtigen Entwicklung und Unterstützung des Handwerkssektors und seiner Träger in Kenia. Im Anschluss an diese inhaltlichen Vorklärungen wendet sich die Verfasserin ihrem eigenen empirischen Material zu, das mittels eines Fragebogens, der an alle kenianischen "District Social Development Officers" verschickt wurde, sowie in insgesamt 83 semi-strukturierten Interviews mit Töpfern und Töpferinnen erhoben wurde.
Die Beschreibung der Erhebungsergebnisse ist äußerst detailliert und materialreich. Es fallen die profunden Kenntnisse der Autorin auf, die sich aus deren intimer Vertrautheit mit der Sachproblematik - sie ist selber ausgebildete Töpferin, arbeitete 3 Jahre als Koordinatorin in der Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen eines Töpferprojekts für Frauen und spricht eine der Lokalsprachen fließend - erklären. Die vielfältigen Ergebnisse werden in zum Teil hervorragender Weise grafisch und tabellarisch illustriert.
Bei ihrer Darstellung all jener Aspekte, die heute das Töpfereihandwerk in Kenia charakterisieren, wird die Autorin nicht müde, immer wieder auf die Bestimmungsfaktoren hinzuweisen, die in der Gegenwart die Erscheinungsformen des Handwerks prägen. Diese sieht sie vor allem in dem kolonialen Erbe der Handwerksförderung gegeben, die sich einseitig auf männliche Jugendliche und junge Männer konzentrierte und besonders die Produktion von Gegenständen für den Bedarf der weißen Siedler betonte. Die vor diesem Hintergrund entstandene Dualität des Töpfereisektors wurde nach der Unabhängigkeit des Landes von nationalen Politiken beibehalten und über Trainingsprogramme und Ausbildungsmaßnahmen verstärkt, die auf selektive Förderung angelegt waren. In der heutigen Ausprägung dieser Dualität stehen die Töpferinnen im ländlichen Raum ihren männlichen Kollegen in der Stadt gegenüber. Sie stellen mit geringen Gewinnmargen traditionelle Artikel des ländlichen Bedarfs her. Ihr Handwerk ist minder geachtet und "schmutzig". Im Gegensatz dazu steht das Töpfereihandwerk der Männer in den Städten. Es bedient sich moderner Produktionstechnologien und produziert zu gewinnträchtigen Preisen "saubere" Artikel - zum Beispiel glasierte Keramik - des gehobenen Bedarfs einer vorrangig weißen oder auch ausländischen Kundschaft.
In der steten Wiederholung und nuancenreichen Ergänzung dieser letztlich auf wenige Grundstrukturen zurückzuführenden Entwicklungstendenzen liegt jedoch auch das Problem der Dissertation. Sie wirkt nicht nur in ihrer sprachlichen Ausgestaltung ermüdend, sondern sie bleibt auch in ihrer analytischen Aussagekraft begrenzt. Im Anschluss an die einführenden Kapitel erwartet man eine stringente und möglichst theoriegeleitete Definition der Forschungsfragen. Eine solche lässt sich jedoch nicht finden. Es werden vielmehr Untersuchungsfragen jeweils im Kontext der einzelnen Feldstudien und ihrer spezifischen Zielgruppen formuliert. Die Konsequenz dieses Vorgehens mag das Beispiel der Gender bezogenen Differenzierung der Erhebungsergebnisse verdeutlichen:
Die Genderfrage wird in der Studie durchgehend als wichtige Querschnittsfrage behandelt. In diesem Zusammenhang differenziert die Autorin zwischen einer Ausübung des Handwerks gemäß der Maßgabe "männlicher Wachstumsorientierung" im Gegensatz zu Produktionsprämissen in Einklang mit "weiblicher Sicherheitsorientierung" (S. 294) und kategorisiert mit diesen Rollenzuweisungen Ergebnisse ihrer Feldforschung, die ein mit der entwicklungtheoretischen Diskussion vertrauter Leser als Ausdrucksformen der Verflechtung zwischen Subsistenzökonomie und Martktökonomie in Situationen graduell unterschiedlicher Marktintegration erkennt. Das heißt, die Autorin generiert in Anlehnung an eine Begrifflichkeit aus der Literatur Klischeebilder, die leicht als Konsequenz unterschiedlicher Marktintegration, wie sie in der entwicklungstheoretischen Literatur bereits seit 20 Jahren diskutiert wird und die ohne solche Rollenzuschreibungen auskommt, zu entlarven wären.
Die Rollenklischees haben auch entwicklungspolitische Konsequenzen. Obwohl die Autorin die empirisch ermittelten genderspezifisch-handlungsrelevanten Rahmenbedingun-gen gesellschaftskritisch ableitet, verharrt sie schließlich doch bei der benannten Rollenzuweisung. 50 Seiten zuvor hat sie das Töpferei-Projekt der "Oriang' Pottery Women Group" (S. 256) beschrieben. Sie zeigt dort auf, dass die Entwicklung von Handwerksunternehmen im Gruppenzusammenhang durch solche entwicklungspolitisch motivierten Fördermaßnahmen beeinträchtigt wird, die in Einklang mit dem allgemeinen Verständnis der Frauenrolle mit der eigentlichen Handwerksförderung auch andere Fördermaßnahmen wie zum Beispiel Schulungen zu Fragen der Haushaltsführung verknüpfen. Die Chance, an diesem Fall die unter bestimmten Rahmenbedingungen fatale Wirkung solch genderspezifischer Rollenzuschreibungen zu thematisieren und in einen entwicklungspolitischen Zusammenhang zu stellen, wird jedoch nicht wahrgenommen.
Abschließend bleibt festzustellen, dass die Studie sicherlich als Standardwerk zur neueren Entwicklung des Töpfereihandwerks in Kenia und allgemein in Entwicklungsländern insofern gelten kann, als sie dem an dem Gegenstand interessierten Leser eine große Fülle einschlägiger Sachinformationen anbietet. Im Kontext der geographisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung weist sie jedoch Mängel auf, die nur eine grundsätzliche Theorieorientierung der Argumentation und eine Offenlegung der entwicklungspolitischen Prämissen bereinigen könnten.    
Autorin: Sabine Tröger

Quelle: Erdkunde, 56. Jahrgang, 2002, Heft 2, S. 234-235