Peter Hoffmann: Anton Friedrich Büsching (1724-1793). Ein Leben im Zeitalter der Aufklärung.  Berlin 2000. 322 S.

In der Geschichtsschreibung der Geographie hat es Anton Friedrich Büsching schwer. Zumeist steht er als Vertreter der spätbarocken kameralistischen Staatengeographie, deren dickleibige Kompendien Ausdruck einer vorwissenschaftlichen Phase der Disziplinentwicklung sind, die von den Vordenkern einer modernen Geographie wie Kant, Herder, Ritter und Humboldt radikal beendet wurde.
Der Historiker HOFFMANN, der sich seit vielen Jahren mit Büsching beschäftigt hat, legt nun erstmals eine Biographie vor, die dem vielseitigen Wirken Büschings angemessen erscheint. Geboren in Stadthagen, studierte Büsching Theologie und wurde 1754 Professor für Philosophie in Göttingen. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in St. Petersburg (1760-1765), wo er als Geistlicher wirkte, ging er 1766 als Oberkonsistorialrat und Gymnasialdirektor nach Berlin. Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile (Biographie und Werk); in der Werkanalyse geht HOFFMANN auf die einzelnen Facetten des Schaffens als Geograph, Historiker und Statistiker, Zeitschriftenherausgeber, Pädagoge, Theologe und auf seine Beziehungen zu Russland ein. Dem Autor gelingt es, Büsching als einen "typischen" Vertreter seiner Zeit zwischen Pietismus und Aufklärung zu würdigen, dessen Denken und Handeln ganz dem Zeitgeist entsprachen und dessen Publikationen den damaligen Wissensstand widerspiegeln. HOFFMANN gibt sich am Ende seiner Studie bescheiden: Es bleibe eine "gewisse Unzufriedenheit", viele Aspekte seien nur angedeutet worden und erforderten weitere Spezialuntersuchungen. Immerhin macht seine Arbeit deutlich, dass Büsching nicht "nur" der bedeutendste geographische Schriftsteller des 18. Jahrhunderts gewesen ist, auch wenn seine Bedeutung für die Geographie immer wieder an erster Stelle angeführt wird, sondern dass er als Polyhistor auch in anderen Bereichen herausragende Leistungen erbracht hat und vor allem für die deutsch-russischen Kulturbeziehungen eine zentrale Rolle spielt.
Aus geographischer Sicht sind die beiden Kapitel "Büsching als Geograph - Die neue Erdbeschreibung" (S. 145-168) und "Büschings historisch-geographische Periodika" (S. 187-204) von besonderem Interesse. Darin geht HOFFMANN eng an den Quellentexten und der zeitgenössischen Rezeption vor. Auch die älteren geographischen Forschungen zu Büsching - vor allem A. KÜHN und E. PLEWE - kennt der Autor. Allerdings hätte man sich eine stärkere Berücksichtigung der neueren Arbeiten zur Physikotheologie von M. BÜTTNER u.a. gewünscht (wie man auch feststellen muss, dass die Geographiehistoriker bisher die früheren Arbeiten von HOFFMANN und anderen Nicht-Geographen zu Büsching nicht zur Kenntnis genommen haben).
Für die Geschichtsschreibung der Geographie liefert das Werk von HOFFMANN zweifelsfrei einen wichtigen Beitrag. Durch die komplexe Herangehensweise wird deutlich, dass sich die Geographie des 18. Jahrhunderts nicht aus den allgemeinen zeitgenössischen Denkstrukturen herauslösen lässt. Ideengeschichte erfordert den Blick über den disziplinären Zaun. Hierfür ist die herausragende Persönlichkeit Büschings ein beredtes Forschungsobjekt.    
Autor: Heinz Peter Brogiato

Quelle: Erdkunde, 56. Jahrgang, 2002, Heft 4, S. 423-424