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Kategorie: Rezensionen

Kerstin Meyer: Entwicklung und Struktur der Städte in Castilla y Léon (Spanien). Passau 2001 (Passauer Schriften zur Geographie 17) 229 S.

Frau MEYER hat sich bei ihrer Dissertation, sicherlich durch ihren akademischen Lehrer K. ROTHER beeinflusst, bewusst für den kulturgenetischen Forschungsansatz entschieden und geht dabei davon aus, dass die Stadt der typischste Ausdruck regionaler Kultur und regionaler Spezifika ist, worin sie mit der aktuellen spanischen Stadtforschung übereinstimmt. Folgerichtig formuliert sie die These, dass die Städte der autonomen Gemeinschaft Castilla y León einen eigenen Stadttyp darstellen, der durch gemeinsame "räumliche Gegebenheiten" (?) sowie durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung bestimmt wird.
Sicherlich ist es richtig, innerhalb des regionalen Stadttyps Castilla y León einige Städte "genau zu untersuchen". Erste Zweifel regen sich, wenn die ca. 50 städtischen Siedlungen nur nach Einwohner-Größenklassen unterteilt werden (über 100.000 Ew., 50.000-100.000 Ew., 20.000-50.000 EW., unter 20.000 Ew.). Diese werden größer, wenn die Auswahl der Beispielsstädte nicht ausreichend begründet wird: Salamanca (warum nicht Valladolid?) - Zamora (warum nicht Segovia oder Avila?) - Aranda de Duero - Tordesillas (und Ciudad Rodrigo?).

In einem gelungenen kurzen Überblick wird die regionale Stadtentwicklung von der Antike bis zur Moderne vorgestellt. Dann folgt in einem ersten Hauptteil die historisch-genetisch orientierte Detailanalyse der vier Beispielstädte. Den ausführlichen Schlusspunkt bildet immer die Auswertung der präzisen Kartierungen: Alter und Stockwerkzahl der Gebäude, Standorte tertiärer Einrichtungen etc. Das geschieht für die Innenstädte und die jüngeren Erweiterungen derselben, während die Außenviertel textlich im Überblick behandelt werden. Demgegenüber erfolgt die sozioökonomische Gliederung jeweils für die Gesamtstadt, allerdings (nur) auf Expertenaussagen basierend und nur nach drei Kategorien (Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht). Es wird deutlich herausgestellt, dass die größeren Städte (z. B. Salamanca und Zamora) sich in einer Umbruchsphase befinden. Zum einen löst sich die traditionelle mediterrane Kompaktheit der Stadt im Zuge der Suburbanisierung auf. Wenn daran alle Bevölkerungsschichten beteiligt sind (Salamanca), kann man das als "neue regionale Form" bezeichnen; wenn aber dabei
gated communities auftauchen, dann kann die Aussage "Suburbanisierung ist in Spanien keineswegs mit sozialer Segregation verbunden" (S. 61) nicht akzeptiert werden. Zum anderen ist es die Wiederentdeckung regionstypischer historischer Bauformen, wobei im Zuge durchgreifender Sanierungen die "moderne" Überformung in den Altstädten gestoppt wurde und die Attraktivität derselben für Touristen und als Einzelhandelsstandorte erheblich gesteigert werden konnte. Im zweiten Hauptteil werden zunächst die Kennzeichen der Städte in Castilla y León im Vergleich mit den Nachbarregionen sowie dem übrigen (?) europäischen Mittelmeerraum herausgestellt. Das geschieht überwiegend in statistisch-deskriptiver-analytischer Weise, wobei die knappen Ausführungen zu den anderen Mittelmeerländern mehr kursorischer Natur sind. Dem schließen sich Ausführungen zum Städtesystem an. Hier ist es m. E. etwas vermessen, Valladolid als "Zentrum einer Metropolitanregion" zu bezeichnen (Abb. 42). Wichtiger und inhaltlich gelungener sind dann die vergleichenden Ausführungen über die äußere Erscheinung (u. a. architektonische Merkmale, Altstadtsanierung), die innere Gliederung, über Dienstleistungsbereiche und -struktur sowie über die Stadtplanung.
Den Schluss bildet die gelungene Vorstellung eines generellen Stadtstrukturmodells für Castilla y León und eines
speziellen für die dortigen Kleinstädte; ein Novum! Die Eingangsthese über einen regionalen Stadttyp wird nachdrücklich bestätigt. Insgesamt: Diese Arbeit stellt den Stadttyp "Castilla y León" eindrucksvoll heraus und schließt damit - auch in Spanien - eine große Forschungslücke. Sie wird mit Ihren detaillierten Erhebungen, Kartierungen etc. das Fundament für nachfolgende Untersuchungen bilden.
Autor: Günter Mertins

Quelle: Erdkunde, 57. Jahrgang, 2003, Heft 1, S. 76