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Kategorie: Rezensionen

Jürgen Deiters (Hg.): Umweltgerechter Güterverkehr. Handlungsansätze auf staatlicher, kommunaler und betrieblicher Ebene. Osnabrück 2002. 101 S.

Die vorliegende Schrift befasst sich aus einer umweltpolitischen Perspektive mit dem Güterverkehr. Dieser gilt in der gegenwärtigen Verkehrspolitik als zentrales Problem, vor allem aufgrund seiner hohen Wachstumsraten. Dies gilt insbesondere für den Straßengüterverkehr sowie die Luftfracht. Beide Sektoren bringen, gemessen an ihren Verkehrsanteilen, überproportional hohe Folgelasten mit sich, etwa bei den Emissionen von Klimagasen und Luftschadstoffen, beim
Verkehrslärm oder in der Abnutzung von Infrastrukturen. Zumindest programmatisch setzen Verkehrs- und Infrastrukturkonzepte in Deutschland und der EU daher auf eine Erhöhung der Verkehrseffizienz, auf die Entkopplung von Wirtschafts- und Verkehrswachstum sowie die Verlagerung von Straßengüterverkehr auf Bahn, Schiff und Rohrleitungen. Diese aktuellen Themen stehen auch im Mittelpunkt dieses Bandes, der die überarbeiteten Beiträge der ersten Jahrestagung des AK Verkehr der DGfG 1998 in Bremen dokumentiert. Drei grundlegende Aufsätze behandeln die Wachstumsentwicklung des Güterverkehrs und dessen ökologische Folgen am Beispiel von Umweltbelastungen und Energieverbrauch. Die diesbezügliche Entwicklung wird zurecht als kritisch bewertet. Eine Entkoppelung von Verkehrszunahme, Umweltbelastung und Wirtschaftswachstum ist weithin nicht in Sicht. In zwei Beiträgen werden regionale Kontexte am Beispiel Norddeutschlands sowie des Münsterlandes behandelt. Die erheblichen Straßenverkehrsengpässe in Norddeutschland werden als Ausdruck einer "Lkw-Falle" interpretiert, die theoretisch nur durch einen drastischen Ausbau der Eisenbahn umgangen werden könnte. Die Region Münsterland dient als Fallbeispiel dafür, dass kombinierte Güterverkehre (Straße-Schiene) unter den aktuellen Marktbedingungen kaum Realisierungschancen haben. Das Modell eines regionalen "Spediteurs-Clubs" wird als mögliche Gegenstrategie zur Mobilisierung der notwendigen Umschlagnachfrage diskutiert. Mit Blick auf die herrschenden Trends von Marktausweitung, Entfernungszunahme und Wettbewerbsdruck (Zeit, Kosten) im Güterverkehr stellt ein weiterer Aufsatz Entwicklungsansätze für ein europäisches Netz eines Hochgeschwindigkeitsverkehrs für die Güterbahnen vor. Dieses Marktsegment stößt in jüngster Zeit bei einigen Nachfragern (z. B. Paketdiensten) auf wachsendes Interesse. Ein abschließender Beitrag fragt nach den Chancen für eine ökologisch orientierte Neugestaltung des Güterverkehrs im Rahmen des betrieblichen Umweltmanagements. In der bisherigen Praxis scheinen Umweltmanagementansätze den Transportsektor nur sehr begrenzt aufzugreifen. Dies ist offenbar sowohl der allgemeinen Verfassung der Transportmärkte geschuldet (fehlende Anreize aufgrund von niedrigen Preisen bzw. Frachtraten) als auch den umweltpolitisch eher voluntaristischen Regelwerken zum Umweltmanagement (EU-Verordnung zum Öko-Audit; ISO-14001). Ob die Ausweitung des Geltungsrahmens der EU-Verordnung auf Dienstleistungsunternehmen (und damit auch explizit auf Transportbetriebe) hier Besserung verspricht, bleibt abzuwarten. Insgesamt enthält der Band eine fundierte und problemorientierte Auseinandersetzung mit der aktuellen Güterverkehrsentwicklung. Diese Beiträge stehen durchaus in einer Reihe mit vergleichbaren Aktivitäten der Verkehrswissenschaften, die sich dem Güterverkehr allerdings auch erst mit großer Verzögerung widmen. Über die hier versammelten Arbeiten hinaus wäre der geographischen Diskussion eine stärkere ‚raumwissenschaftliche' Durchdringung des Themas zu wünschen. Denn neben der notwendigen Problem- und Handlungsorientierung bleiben viele Fragen zu den Grundlagen der Güterverkehrsentwicklung offen: etwa bezogen auf den Zusammenhang von (Verkehrs-, Logistik-) Infrastruktur und regionaler Entwicklung, zur Rekonfiguration von Transportnetzen im Zeichen internationaler Unternehmensstrategien oder zur regionalen Differenzierung des Güterverkehrs. Dieses Anliegen mindert indes nicht das Verdienst von Autoren und Herausgeber, mit vorliegender Schrift einen wichtigen Beitrag zum Thema geleistet zu haben.
Autor: Markus Hesse

Quelle: Erdkunde, 57. Jahrgang, 2003, Heft 2, S. 147