Hanne Baltes und Friedrich Fischer: Die Mennoniten. Bauern und Pioniere in Europa und Amerika. Eine kulturgeographische Untersuchung. Blieskastel 2001. 103 S.

Über mennonitische Siedlungsformen und die von ihnen geprägten Kulturlandschaften existiert ein breitgefächertes, reichhaltiges und überwiegend deutschsprachiges Schrifttum, das vor allem die Begeisterung von Kulturgeographen für dieses Thema dokumentiert. Vielfach sind solche Studien als Einzel- oder Fallstudien konzipiert und konzentrieren sich auf einen regional mehr oder weniger eng definierten Bereich. Die von BALTES und FISCHER vorgelegte Arbeit basiert auf den Ergebnissen zahlreicher Vorgängerstudien, fasst deren Ergebnisse zusammen und komprimiert sie in Form einer übersichtlichen Kompilation, deren Stärke insbesondere darin liegt, dass sie einen nicht nur überregionalen sondern gleichfalls globalen Betrachtungsrahmen steckt. Obwohl die Autoren nach eigenen Angaben keine längeren Feldforschungsaufenthalte durchgeführt haben, so paust sich doch in vielen Kapiteln die Kompetenz einfühlsamer Insider durch, die es u. a. durch eine Vielzahl von Besuchen bei mennonitischen Gemeinden in Europa und Übersee verstanden haben, die vorgestellte Problematik sowohl aus geographischer wie  emischer Perspektive zu beleuchten. Zu den zentralen Kernthesen der Arbeit gehört die Annahme, dass in erster Linie nicht äußere Rahmenbedingungen die Lebenswirklichkeit der Mennoniten bestimmen, sondern umgekehrt deren religiöse Vorstellungen und die daraus abgeleitete Lebensweise ihre selbstgestaltete Umwelt geprägt haben. Die marxistische These, wonach das Sein das Bewusstsein bestimme, werde demnach durch die Lebenswelten der Mennoniten, bei denen das (religiöse) Bewusstsein das weltliche Sein bestimmt, klar widerlegt.
An den Anfang ihrer Ausführungen stellen die Autoren einen Überblick über die Vorgeschichte sowie die innereuropäischen und weltweiten Migrationen mennonitischer Gruppen. Letztere sind kürzlich von STADL (2002) in – vor allem auch kartographisch – hervorragender Weise dokumentiert worden (Grazer Schriften der Geographie u. Raumforschung 38). Es wird schnell klar, dass bereits kurz nach der Gründung der ersten mennonitischen Gemeinden ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Friesland und der Schweiz deren Verfolgung einsetzte. Nachdem sich erste Religionsflüchtlinge zunächst im Elsass, in Lothringen und in der Pfalz niedergelassen hatten, setzten sie sich schließlich in die Umgebung des noch unter polnischer Verwaltung stehenden Danzig ab. Von entscheidender Bedeutung für die Auswahl neuer Siedlungsgebiete war für die Mennoniten die Wahrung von drei Grundprinzipien: Religionsfreiheit, Autonomie in allen schulischen Angelegenheiten (u. a. vor allem Sprachfreiheit) und die Möglichkeit, das Prinzip der absoluten Gewaltlosigkeit zu praktizieren, d. h. die Befreiung von jeder Art von Kriegs- oder Wehrdienst. Nachdem der Danziger Raum nach den drei polnischen Teilungen unter preussische Verwaltung gelangte, waren diese Grundprinzipien nicht mehr gewährleistet und die mennonitischen Gemeinden strebten zunächst über eine See- und eine Landroute dem Sammelpunkt Riga zu, von wo aus man der Düna stromaufwärts folgte und schließlich über den Dnjepr abwärts die späteren Siedlungsgebiete im Süden des zaristischen Russland erreichte. Eine andere Gruppe strebte über Warschau und den Bug dem gleichen Zielgebiet zu. Die schrittweise Beeinträchtigung der Lebensbedingungen, vor allem aber die im Lauf der Zeit immer vehementer vorgebrachten Forderungen nach Kriegsdienstverpflichtungen der Mennoniten in russischer und sowjetischer Zeit, führten schließlich zu mehreren Exodus-Bewegungen nach Amerika, wo sich z. T. bereits andere mennonitische Gemeinden aus der Zeit der mitteleuropäischen Verfolgungen niedergelassen hatten.
Hauptziele waren in Nordamerika Pennsylvanien mit einem Schwerpunkt um German Town sowie die Prärieprovinzen der USA und Kanadas. Weitere Siedlungsgebiete mennonitischer Siedler wurden das zentrale Mexiko und der Chaco Paraguays. Doch auch in der Neuen Welt führte staatliche Beeinträchtigung mennonitischer Lebensbedingungen zu weiteren Migrationen. In Folge der Einführung des Englischen als Schulsprache in Kanadas Prärieprovinzen und den reduzierten Möglichkeiten zu Landerwerb in Mexiko entwickelten sich neue Abwanderungen in den Chaco bzw. die Gründung neuer mennonitischer Kolonien in Belize.
Die unterschiedlichen Siedlungs- und Flurformen sowie die jeweiligen Charakteristika der von mennonitischen Gruppen geprägten amerikanischen Kulturlandschaften werden von BALTES und FISCHER exemplarisch durch eine Vielzahl von Grundrissen und Lageskizzen dokumentiert. Diese Materialien sind zum überwiegenden Teil Vorgängerarbeiten entnommen. Während einerseits deutlich wird, dass die Unvereinbarkeit des (religiösen) Bewusstseins der Mennoniten mit den (politischen) Bedingungen des weltlichen Seins als wesentliches, immer wiederkehrendes Hauptmotiv für mennonitische Migrationen anzusehen ist, wird andererseits jedoch auch klar, dass mennonitische Lebensgemeinschaften nicht in allen Siedlungsbereichen gleiche Persistenz besitzen. So sehen die Autoren die kanadischen Gemeinschaftssiedlungen der Mennoniten auf klarem Assimilationskurs mit der Gesamtgesellschaft, während die vorwiegend in Einzelhofsiedlungen lebenden Mennoniten der USA ihre Lebenswelten dauerhafter festigen konnten. In Lateinamerika scheint demgegenüber das Bleiben oder Abwandern mennonitischer Gruppen vor allem von der Frage der Möglichkeiten zu Ausweitung der Siedlungen und zu weiterem Landerwerb entschieden zu werden.
Auch wenn sich in Kapiteln, die etwa das anfangs schwierige Verhältnis zwischen mennonitischen Kolonisten und indigenen Bevölkerungsgruppen behandeln, vereinzelt mit Textpassagen, die z. B. von „halbnomadischen Cree und Odjibway" sprechen (S. 31), andeutet, dass nicht in allen Abschnitten begriffliche und definitorische Sorgfalt waltete, so stellt das vorgelegte Mennonitenbuch insgesamt jedoch einen wertvollen Beitrag für zugleich religions- wie siedlungsgeographisch ausgerichtete Arbeitsbereiche der Kulturgeographie dar.    
Autor: Andreas Dittmann

Quelle: Erdkunde, 57. Jahrgang, 2003, Heft 3, S. 251-252