Stephen Graham (Hg.): Cities, War, and Terrorism: towards an urban geopolitics. Oxford 2004. 384 S.

"Terror" scheint sich zu einem wichtigen Schlagwort des 21.Jahrhunderts zu entwickeln. Wenn dieser Begriff durchaus auch kein neues Phänomen repräsentiert, so hat doch eine in diesem Ausmaß noch nie dagewesene diskursive Präsenz von "Terror" und den dazugehörigen Abwandlungen ("Terrorismus", "Krieg gegen den Terror" etc.) unsere globalisierte Vorstellungskraft, unser Denken und Handeln erfasst. Waren frühere Terrorereignisse vor allem begrenzt auf lokale, regionale oder nationale Räume, so haben die Ereignisse des 11. September 2001 und die darauf folgenden mannigfaltigen Reaktionen den Terrorbegriff unwiderruflich globalisiert. Er durchzieht unser tägliches Dasein, begleitet uns auf dem Wege zur Arbeit, und verabschiedet sich für die Nacht in den Abendnachrichten. Bereits kurz nach den Terroranschlägen in New York und Washington wurde das "Zeitalter des Terrors" ausgerufen (Talbott, Chanda 2001).
Seitdem sind Buchläden, Universitätsbibliotheken und Lesezirkel mit einer Unzahl an Literatur zum Terror überschwemmt worden. Und ich sage bewusst überschwemmt, da es sich bei vielen dieser Beiträge um theoretisch arme, empirisch nicht oder unzureichend fundierte Texte und zum Teil um grobe Sensationsmache handelt. In dieser Menge an Texten gelungene Beiträge auszumachen, die auch die neo-konservative Aneignung und strategische Ausbeutung der Idee des Terrors analysieren, ist geradezu eine Ausnahme. Als eine dieser wenigen Ausnahmen kann die vorliegende Sammlung Cities, War, and Terrorism (herausgegeben von Stephen Graham, Professor für Geographie an der Universität Durham) gesehen werden. In dieser hervorragenden Sammlung von 17 Essays wird Terror nicht als ein bereits vorgegebenes Konzept verstanden, vielmehr wird es als Begriff zerlegt und kritisch durchleuchtet. Hier werden die mannigfaltigen Auswirkungen des globalen Kriegs gegen den Terror hinterfragt, seine Motive offen gelegt und analysiert. Vor allem werden die Auswirkungen des Terrors - sowohl der konkreten Anschläge als auch ihrer diskursiven Repräsentation - im konkreten urbanen Kontext untersucht. Und gerade hierin liegt der besondere Beitrag dieser Aufsatzsammlung. Als Leitmotiv schlägt der Herausgeber das Konzept des "Urbizid" vor. Mit diesem Begriff umschreibt er die bewusste und systematische Zerstörung der Stadt und des urbanen Raumes. Dieses die Aufsätze wie ein Leitfaden durchziehende Konzept lässt Graham schließlich nach einer urban geopolitics rufen, einer Forschungsrichtung und -perspektive, die den Verknüpfungen von Urbanismus, Terrorismus und Krieg in ihren multiplen Erscheinungen Rechnung tragen und Ausdruck verleihen soll:
"[I]t is strikingly clear that ignoring attempts to deny, destroy, or annihilate cities, or the ‚dark' side of urban modernity which links cities intimately to organized, political violence, is no longer tenable for urbanists or urban researchers. In this post-9/11 and post-war on terror world, urban researchers and social scientists - like everyone else - are forced to begin to confront their taboos about attempted city killing, place annihilation, and urbicide. International relations theorists, similarly, are forced for the first time to consider urban and subnational spaces as crucial geopolitical sites." (S. 52)
Diese Forderung mag einigen Stadtforschern als etwas radikal erscheinen. Auf den ersten Blick scheint es ja nicht gerade offensichtlich zu sein, weshalb sich z. B. Arbeiten zur Kunst im öffentlichen Raum über place annihilation sorgen sollten, ein bereits 1983 vorgeschlagenes Konzept des Geographen Ken Hewitt, mit dem er auf die vielfältigen, oftmals nicht direkt erkennbaren Trends zur Zerstörung von Orten aufmerksam machen wollte. Auf der anderen Seite ist klar, dass Diskussionen über Sicherheit in der Stadt nach dem 11. September völlig neu definiert werden. ‚Urbizid' findet nämlich auch statt, wenn verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, begründet und gerechtfertigt als Terrorbekämpfung, die bürgerlichen Rechte immer weiter beeinträchtigen.
Cities, War, and Terrorism ist in drei Teile gegliedert, die sich theoretisch mit Krieg und Terror auseinandersetzen (I), das Konzept des Urbizid diskutieren (II), und die Auswirkungen von Terror und dem ‚Krieg gegen den Terror' auf den urbanen Raum untersuchen (III). Interdisziplinarität wird groß geschrieben und verleiht der Aufsatzsammlung eine kompetente und analytische Stärke. Die Autoren kommen aus den Feldern der Architektur, Geographie, Soziologie, Stadtplanung, sowie der Geschichts-, Militär-, Politik- und Rechtswissenschaften. Die Beiträge ergänzen sich gelungenermaßen, und das Buch wirkt so als Einheit und "kollektives Unternehmen" (S. xxi), wie Graham nicht ganz ohne Stolz betont. Dazu kommt die hervorragende Redaktionsarbeit Grahams, der jeden der drei Teile kurz einleitet und die Verbindungen und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Artikeln herausstreicht.
In seinem sorgfältig recherchierten und literarisch sehr ausführlich belegten Einführungsessay zeigt Graham die Zentralthemen der verschiedenen Aufsätze auf (S. 1-25): das sich gegenseitig formierende Verhältnis von Krieg, Terror und Städten; die durch den "Sicherheits-Imperativ" vorangetriebene Urbanisierung des Krieges, in der sich die Städte als Schlüsselstätten der "neuen Kriege der Nachkriegszeit" entwickeln; ein vielschichtig verwickelter Terror-/Angst-Komplex, in dem Angstkulturen als "willkommener geopolitischer Deckmantel" (S. 15) bewusst produziert und von den verschiedensten Regimes ausgenutzt werden, um Ausnahmezustände und bestimmte politische Maßnahmen zu rechtfertigen, welche in ‚normalen' Friedenszeiten nicht durchzusetzen wären; und die oftmals daraus resultierenden gesetzlichen Grauzonen, wie zum Beispiel das US-Aufbewahrungszentrum für verdächtige Terroristen in Guantánamo auf Kuba, oder die im März 2005 als illegal erklärten Antiterrorismus-Maßnahmen in Großbritannien, mittels derer Verdächtige im Gefängnis von Belmarsh in Südlondon ohne Prozess festgehalten wurden.
Dieser Einleitung folgt der erste von drei thematischen Teilen, welcher Städte, Krieg und Terrorismus in einem historischen Zusammenhang sieht. Graham untersucht im ersten Kapitel (S. 31-53) die Stadt als strategische Stätte der Artikulation von Konflikten, die er nicht nur in der Zerstörung der urbanen Infrastruktur im Kriegsfall, sondern auch im "Normalfall" städtischen Lebens sieht. Denn nicht nur sind es Kriege, die Städte zerstören, sondern auch Prozesse der "kreativen Zerstörung", wie z. B. die Stadtentwicklung durch Gentrifizierung und Sanierung. Für Graham konstituiert sich hier die "dark side of urban modernity", in der ‚Platz' geschaffen wird für neue kapitalistisch strukturierte Räume und Beziehungen, die durch Geographien der Ausgrenzung gekennzeichnet sind. Weiterhin interessant in diesem Kapitel sind Erläuterungen zur Nachkriegsarchitektur der 50er und 60er Jahre, die das unbeschreibliche Ausmaß an Zerstörung durch den Krieg auch als Möglichkeit sah, ganze Städte im Sinne von LeCorbusier und anderen Architekten des Modernismus neu zu planen.
In einem sehr interessanten Essay über Berlin beleuchtet der Soziologe Simon Guy das Thema Nachkriegsarchitektur von einer anderen Seite (S. 75-92). Anhand von drei Beispielen (Reichstag, Berliner Mauer, Potsdamer Platz) zeigt er die Konflikte auf, die der Neukonstruktion dieser Plätze vorausgingen, und in denen die Bedeutung dieser Stätten für die individuellen und kollektiven Erinnerungen an Naziterror, Antisemitismus und Genozid, Luftbombardierungen im Zweiten Weltkrieg, und Trennung in Ost und West während des Kalten Krieges angemahnt wurde. Guy bezieht sich hier auf die Arbeiten W.G. Sebalds über Erinnerung, Vergessen und Schweigen, um im Bezug auf Berlin, der "Stadt der Amnesie", diese oft spannungsgeladenen Beziehungen zwischen moderner Stadtentwicklung und ortsbezogenem historischem Selbstverständnis aufzuspüren. Besonders in der Entwicklung des Potsdamer Platzes, so Guy, zeigt sich das neue Berlin, die "Stadt des Lachens und Vergessens", in der eine ewig lächelnde, kapitalintensive Unterhaltungs- und Tourismusindustrie die Historie des Ortes ersetzt hat: "It is in the erasure of history and its replacement by state-of-the-art twenty-first century entertainment that the dialectics of imagery play out" (S. 82). Auch diese Art von architektonischer Vergangenheitsbewältigung lässt sich als Urbizid und place annihilation interpretieren im Sinne von Cities, War, and Terrorism.
Die Nachkriegsstädteplanung in den USA ist das Studienobjekt des Geographen Matthew Farish (S.93-109), der in seinem Beitrag aufzeigt, wie Forderungen für eine Dezentralisierung der urbanen Räume in den 50er Jahren von einer kollektiven nuklearen Paranoia des Kalten Krieges beeinflusst wurden. Hierbei wurden Städte wie New York und Washington durch ihre dichten urbanen Agglomerationen und ihre vertikale Bauart als sehr ungeschützt angesehen. Diese Verwundbarkeit der Städte spielte hervorragend in die Hände der Militär- und Bauplanungseliten, die ohnehin von einem tiefsitzenden Anti-Urbanismus geprägt waren. So führte die geopolitische Unsicherheit in der frühen Phase des Kalten Krieges, laut Farish, zu einer "instrumentalen Verwissenschaftlichung der Stadt", in der die Stadt zum Forschungsfeld für eine erstaunliche Vielfalt von Interventionen wurde (S. 107). Auch wenn in den 60er Jahren der Enthusiasmus der Anhänger der Dezentralisierung etwas nachließ, so wurden Diskurse über nukleare Paranoia auch weiterhin als strategisches Mittel der Städteplanung während des Kalten Krieges eingesetzt, die oftmals die Entwicklung der suburbanen Räume auf Kosten der innerstädtischen Entwicklung privilegierte.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich eingehend mit dem Konzept des Urbizid. Der Soziologe Martin Shaw setzt Urbizid in Beziehung zu dem bekannteren Konzept des Genozid und argumentiert, dass die gezielte Zerstörung von Städten und urbaner Infrastruktur zumeist nur Teil einer weitergehenden Strategie zur Vernichtung ganzerVölker ist (S. 141-153). Für den Politikwissenschaftler Martin Coward hingegen verbirgt der weitaus üblichere Fokus auf Genozid und ethnischer Säuberung oftmals den gezielten Charakter der urbiziden Kriegsstrategie, wie er am Beispiel des Krieges in Bosnien (1992-1995) aufzeigt (S. 154-171). Dazu zählt nicht nur die Zerstörung von für die Infrastruktur wichtigen Stätten wie Brücken, Bahnhöfe usw., sondern auch von Gebäuden wie Denkmälern und Kirchen: Letztere geben oft Zeugnis von der Möglichkeit des multikulturellen Zusammenlebens, die in der Vergangenheit bestanden hat. Die gezielte und aus militärischer Sicht unnötige Zerstörung der Nationalen Bibliothek in Sarajevo im August 1992 durch Bosnische Serben ist typisch, laut Coward, für diese Art von materieller Eliminierung von Vergangenheit als Strategie der Ethnonationalisten, die die kulturellen Symbole Bosniens attackierten: "These symbols were not merely symbols of specific ethnic groups, but also of a heterogeneous Bosnian culture: a culture that spoke not just of the presence of a specific ethnic group, but of historical coexistence being the norm in Bosnia" (S. 156). Auch weitere Zeugnisse eines Zusammenlebens verschiedener Kulturen, wie das Nationale Museum in Sarajevo und die Alte Brücke (Stari Most) in Mostar, wurden von ethnonationalistischen Serben zerstört. Urbizid kann sodann als Strategie der Vergangenheitsverleugnung gesehen werden.
Der vielfältige Urbizid an der palästinensischen Bevölkerung ist Thema eines weiteren Essays des Herausgebers Graham (S. 192-213). Dazu zählen die Konstruktion von neuen israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten, von Straßen und der Trennmauer, als auch die gezielte Zerstörung von Häusern und urbaner Infrastruktur in den palästinensischen Gebieten. Anhand des Beispiels der Schlacht in Jenin im April 2002 zeigt Graham auf, wie Urbizid durch Bulldozer betrieben wurde. Beeindruckend sind hier auch die verwendeten Photos, die die Banalität dieses Urbizid ausdrücken, wenn zum Beispiel israelische Soldaten ein palästinensisches Haus zur Zerstörung ‚vorbereiten' (S.198). Löcher werden in Wände gebohrt und mit Sprengstoff versehen. Kleidung liegt verstreut auf dem Boden, und die Szene wird in einem (noch) intakten Wandspiegel gespenstisch multipliziert. Diese Geopolitik durch Bulldozer, die Graham als "gewaltsame Entmodernisierung" (forced demodernization) versteht, wird hier nicht nur beschrieben sondern angeprangert:
"... it is very clear that Israel's shift to urbicide by bulldozer ... reveals a deeply founded Israeli denial of the inevitability and necessity of Palestinian urbanization. It represents a collective denial of the existential rights of Palestinians to urban living space and to the fruits of urban and infrastructural modernization of the kind that Israelis themselves have long enjoyed." (S. 209)
Der israelische Architekt Eyal Weizman legt ein weiteres faszinierendes Essay vor, in dem er die Siedlungspolitik Israels unter Ariel Sharon als geopolitische Verteidigungsstrategie (S. 172-191) erklärt, deren Bedeutung weit über die territoriale Annexion hinausgeht, und die als Ziel die innere Sicherheit Israels gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zu garantieren hat. Weizman appelliert dabei an unsere geometrische Vorstellungskraft, in dem er aufzeigt, wie israelische Siedlungen als "panoptische Festungen" (S. 179) auf Hügeln konstruiert werden, von denen die umliegende Gegend beobachtet und kontrolliert werden kann. Untereinander verbunden durch Straßennetze ergibt sich so eine geometrische Ordnung von Punkten, Linien und strategisch besiedelten Erhebungen, in der die israelische Zivilbevölkerung als Wächter über zentrale nationale Sicherheitsinteressen einbezogen wird: Architektur und Raumplanung als "Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln" (S. 180). Zudem werden Straßen und Siedlungen so angelegt, dass sie wie ein Keil hinein in die wachsenden palästinensischen Bevölkerungszentren wirken, um diese voneinander und untereinander zu trennen und die Mobilität der Palästinenser zu erschweren. Dieses "Verlangsamen der palästinensischen Bevölkerung" (S. 181) ist Teil der von Graham als "gewaltsame Demodernisierung" identifizierten Strategie.
Dieser wohl interessanteste Teil des Buches wird von einem Beitrag der Militärforscherin Alice Hills abgerundet, die eher pragmatisch denn akademisch argumentiert und die Erfolgsaussichten der neuen militärischen Technologien anzweifelt (S. 231-246). Während Präzisionsschläge und intelligente Waffen im ländlichen Raum und im offenen Gebiet durchaus opfervermindernd eingesetzt werden können, so ist das Kämpfen innerhalb der Städte wesentlich schwieriger, zerstörerischer und komplexer, wie der andauernde Widerstand gegen die US-Besatzung im Irak zeigt. Ihre Schlussfolgerungen sind erfrischend ernüchternd, vor allem da sie von einer Expertin der urbanen Militärforschung gezogen werden, die direkt mit den westlichen Militärmächten zusammenarbeitet: "Most of the technological fixes on which hopes are currently pinned are immature or, while conveying advantage, encourage an overreliance on equipment." (S.241)
Während in den vorangegangenen Kapiteln Terror nicht direkt diskutiert wird (obwohl Verbindungen zwischen Urbizid und Terror durchaus hätten herausgearbeitet werden können), so beschäftigt sich der dritte Teil ausführlich mit den Auswirkungen sowohl des Terrors als auch des "Krieges gegen den Terror" auf den urbanen Raum. Marc Herold streicht in seinem Beitrag die urbanen Dimensionen der "Bestrafung" Afghanistans durch US-Bombardierungen heraus, die insbesondere die Zivilbevölkerung in den Städten traf (S. 312-329). Die Tatsache, dass kein body count existiert, also keine glaubwürdige Statistik darüber wie viele Afghanen ihr Leben verloren haben, ist symptomatisch für die Medienstrategie des US-Militärs, mit der die Bombardierungen der westlichen Welt "verkauft" werden, und die den "USStaatsterror" in Afghanistan unter einem Mantel des Schweigens verhüllt. Auch hier funktioniert die Rechtfertigung des Krieges gegen den Terror als willkommener geopolitischer Deckmantel.
Die weiteren Essays in diesem Teil verbindet als Leitfaden die hochtechnisierten Überwachungssysteme in den Städten, die als Antwort auf die tatsächlich existierende oder so wahrgenommene Gefahr von Terrorismusattacken eingesetzt werden. Die großen Gewinner dieser emotional geladenen Entwicklung sind laut Ansicht des Urbanisten Peter Marcuse (S. 263-275) die Hersteller von Überwachungssystemen und Sicherheitsapparaten. Dieses hat im Falle von New York bereits zur Verbarrikadierung und Einschließung von strategischen Gebäuden und ganzen Wohnanlagen geführt.
Der Trend zu verstärkter Überwachung in den Städten, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und dem bewussten Schüren von Angstkulturen, die mentale wie materielle Geographien des Ausschlusses produzieren, wird von Graham im Epilog zum Buch noch einmal aufgegriffen. Obwohl die Aussichten auf ein friedliches, multikulturelles, kreatives Zusammenleben in den großen Städten des 21. Jahrhunderts eher düster erscheinen, so betont Graham ganz ausdrücklich, dass Städte eben nicht nur beherrschte Räume sind, in denen sich die Schatteneffekte von Krieg, Terror und Terrorbekämpfung projizieren, sondern gleichzeitig auch Orte der Konstruktion von Solidaritäten und neuer Menschlichkeiten, von alternativen Vorstellungen und von Widerständen gegen die Kommodifizierung der Lebenswelt. Grahams Nachwort endet deshalb zu Recht auf einer hoffnungsvollen Note:
"Cities must be seen as key sites, perhaps the key sites, for nurturing the tolerances, diasporic mixings, and multicultural spaces that will push fundamentalist fantasies of all sorts to the lunatic fringes where they belong." (S. 333)
Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, dass das Buch durchaus auch einige Schwachstellen aufweist. Der Akzent auf Großstädte, vor allem USAmerikanische und Westeuropäische, lässt Fragen über räumliche Differenzierung aufwerfen. Ist das alltägliche Leben in kleineren Städten z. B. genauso betroffen von Antiterrorismus- und Sicherheitsdiskursen wie in Großstädten? Besteht hier nicht die Gefahr der Essentialisierung eines Trends, den viele Bürger so einfach nicht empfinden? Wie spiegeln sich diese Prozesse in anderen regionalen Kontexten ab, wie z. B. in Lateinamerika oder Afrika? Beide Kontinente finden in der Textsammlung keine Erwähnung. Natürlich bietet der hier sehr ausführlich behandelte israelisch-palästinensische Konflikt hervorragendes Material, um die Beziehungen zwischen Urbizid, Terror und staatlicher Repression aufzuzeigen. Jedoch hätte ein Beitrag über die urbanen Implikationen des Staatsterrors in Argentinien oder Chile in den 70er Jahren z. B. die Sammlung durchaus bereichert.
So hätte man das eine oder andere Kapitel ruhig "opfern" können. Obwohl Graham den Beitrag des "Soziologen Zygmunt Baumann [als] elegantes Essay, das einige Beziehungen zwischen Globalisierung, Urbanisierung und Krieg entwirrt" (S. 29), bezeichnet, handelt es sich hier doch eher um eine zwar metaphorisch reiche aber analytisch verfahrene Reiteration der Baumannschen Lehre über die so benannte "Liquidität" und "Extraterritorialität" der Macht, in der die Orte ihre Verteidigungskapazität gegenüber der frei fließenden Macht angeblich verloren haben (S. 110-119): "New empires are not of this world - not of earthly, geographical world, not of the ‚space of places' ... The new significance of place is born of, and perpetually fed and reinforced by, that hopelessness" (S. 113). Solche Passagen sind typisch für zahlreiche gegenwärtige ‚Analysen' der neoliberalen Globalisierung, die schlicht und einfach zu vergessen scheinen, dass letztere sehr wohl von dieser Welt ist - einer Welt, in der sich zudem unzählige ortsspezifische soziale Bewegungen in globalen Netzwerken verbunden haben, um alternative und gegenhegemoniale Lebensmodelle zu entwickeln und in die Tat umzusetzen.
Einmal abgesehen von dieser letzten kritischen Bemerkung handelt es sich bei Cities, War, and Terrorism um eine hervorragende Sammlung von gut argumentierenden Essays, die besonders durch ihren klar artikulierten Fokus auf den urbanen Raum einen wichtigen und kritischen Beitrag zu gegenwärtigen Terrorismusdebatten leistet.
Literatur
Talbott, Strobe and Nayan Chanda (eds) 2001: The age of terror: America and the world after September 11. New York.
Autor: Ulrich Oslender

Quelle: geographische revue, 7. Jahrgang, 2005, Heft 1/2, S. 134-140