Thomas Feldhoff: Bau-Lobbyismus in Japan. Institutionelle Grundlagen - Akteursnetzwerke - Raumwirksamkeit. Dortmund 2005. 446 S.

Das Ziel des mit 446 Seiten sehr umfangreichen Buches besteht in einer Analyse der Akteursverflechtungen und der Raumwirksamkeit des japanischen Baulobbyismus. Der Schwerpunkt liegt dabei ganz eindeutig auf der empirischen Ebene. In den Hauptkapiteln wird zunächst das Funktionieren des japanischen "Baustaates" herausgearbeitet. Die Analyse zeigt die wesentlichen institutionellen Rahmenbedingungen der japanischen Bauwirtschaft auf und stellt anschließend den Sektor des öffentlichen Bauens genauer dar. Dabei werden auch planerische Belange und räumliche Verteilungsaspekte einbezogen sowie Richtlinien und Praxis des öffentlichen Vergabewesens dargestellt.

Auf dieser Grundlage baut die nachfolgende Rekonstruktion der Akteursnetzwerke und institutionellen Arrangements im Kontext der japanischen Bauwirtschaft auf. Sie erfolgt mit qualitativen Verfahren wie Literatur- und Medienanalyse sowie mit Leitfadeninterviews. Dabei beschreibt der Autor nicht nur die bekannten Konstellationen des klassischen "eisernen" Machtdreiecks innerhalb der "Japan-AG" (Politik, Verwaltung und Wirtschaft), sondern auch die zusätzlichen, im historischen Wandel und fallspezifisch unterschiedlich einflussreichen Akteure bis hin zu informellen Partnern wie der organisierten Kriminalität. Vor diesem Hintergrund bilden dann drei Fallstudien, die sich mit speziellen lokalen bzw. regionalen Raumnutzungskonflikten im Umfeld der öffentlichen Bautätigkeit auseinandersetzen, den Kern der empirischen Arbeiten. Dabei handelt es sich um ein Landgewinnungsprojekt in Isahaya, den Flughafenbau in Köbe sowie die Flughafenerweiterung und den Straßen- und Sperrwerksbau in Tokushima. In den Detailstudien werden die vorher genereller herausgearbeiteten Akteurskonstellationen sowie die institutionellen, formellen und informellen Regel- und Aushandlungskontexte deutlich. Es werden sehr akribisch spezifische Konfliktkonstellationen bis in die Handlungsrationalitäten einzelner Akteure hinein rekonstruiert. Der Autor zeigt hier auf der Grundlage seiner intensiven Geländearbeiten, wie sich die konkreten Interessenslagen, Handlungsstrategien und Konfliktkonstellationen von der formellen Ebene über Bürgerproteste, informelle Absprachen (z.B. Bieterabsprachen, Verletzungen des Dienstgeheimnisses), Korruptionsäffaren etc. entfalten und wie in solchen verwickelten, konflikthaften Auseinandersetzungen der Raum "bauend" gestaltet wird. In den Zusammenfassungen zu den Fallbeispielen, die die jeweils transferierbaren Aspekte noch einmal herausarbeiten, hätte man sich einen stärkeren Rückbezug auf die theoretische Basis der Arbeit gewünscht. Auch kritische Reflexionen über die versteckten Implikationen einer an der Handlungsrationalität der Akteure orientierten Rekonstruktion wären hilfreich gewesen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es im vorliegenden Buch gelungen ist, eine umfängliche Analyse des japanischen Baulobbyismus zusammenzustellen. Das Buch stellt aber auch Ergebnisse bereit, die über den engeren Rahmen des gestellten Themas hinausgehen. Die Leserinnen und Leser lernen an den Fallstudien nicht nur das Funktionieren des "Eisernen Dreiecks" und der vielen anderen beteiligten Akteure im Kontext des öffentlichen Bauens in Japan kennen, sondern sie erhalten auch Einblicke in die Systemrationalität und die verwinkelten Akteursinteressen im japanischen Politik- und Wirtschaftssystem.
Autor: Paul Reuber

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 50 (2006) Heft 1, S. 72