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Kategorie: Rezensionen

Christoph Becker, Hans Hopfinger, Albrecht Steinecke (Hg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. München, Wien. 2. Auflage 2004. 895 S.

Schon seit Jahren hat man darauf gewartet, endlich liegt es vor: ein Lehrbuch zur Geographie der Freizeit und des Tourismus. Und es ist, wie zu erwarten war, ein "dickes Buch" geworden. Das Handbuch hat - so stellen die Herausgeber selbst fest - "einen schon fast erschreckenden Umfang angenommen". In der Tat erwartet den Leser ein Werk von knapp 900 Seiten, in dem in 73 Beiträgen das weite Spektrum der Freizeit- und Tourismusgeographie von insgesamt 76 Autoren und Autorinnen aufbereitet wird. Das Handbuch ist in insgesamt fünf Kapitel gegliedert. Es beginnt mit einer Standortbestimmung und Disziplingeschichte, wobei neben grundlegenden Überblicksbeiträgen (z.B. Hopfinger, Jurczek) auch der Blick über die Grenze in den anglo-amerikanischen (Wachowiak) und französischen Raum (Berriane) erfolgt. Inhaltlich etwas isoliert rundet das Thema "Tourismus und Frauen" das erste Kapitel ab.

Das zweite Kapitel ist laut Überschrift der Freizeit- und Tourismusnachfrage gewidmet (behandelt wird durchaus mehr) und stellt im ersten Teil zunächst die Entwicklung dieser Branche dar. Anschließend folgt ein Methodenteil, der unter anderem Erhebungsmethoden einführt (Steingrube), ökonomische Berechnungsverfahren diskutiert (Harrer) oder die wichtigsten Erhebungen (Besel/Hallerbach) vorstellt. Der letzte und dritte Teil des zweiten Kapitels widmet sich verschiedenen Tourismusarten (z.B. Städte-, Wintersportoder Fahrradtourismus). Die Auswahl der hier präsentierten Tourismusarten erscheint ein wenig willkürlich. Auch die Herausgeber verweisen in ihrem Vorwort selbst darauf, dass es nicht gelungen ist, das Feld der Freizeit- und Tourismusgeographie vollständig abzudecken Zudem sind diese Beiträge sehr "individuell" angelegt, so dass ihre "komparative Nutzung" nahezu unmöglich ist. Gerade in diesem Abschnitt des Handbuches wäre die Anlage der Beiträge nach einem einheitlichen Konzept wünschenswert gewesen. Gleichwohl kann konstatiert werden, dass jeder Einzelbeitrag für sich interessant zu lesen ist. Sehr heterogen ist auch die Zusammenstellung des dritten Kapitels: Unter der Überschrift "Freizeit- und Tourismuswirtschaft: Grundlagen, Branchenanalysen, Einrichtungen" wird einerseits eine Übersicht über die Entwicklung dieses Marktes gegeben (Quack/Schreiber), andererseits werden aber auch Themen wie "Tourismuspolitik und Tourismusförderung" (Becker) oder "Ebusiness im öffentlichen Tourismussektor" (Feil/Oertel/Thio) behandelt. Zudem finden sich auch an anderer Stelle des Handbuches Beiträge, die durchaus diesem Kapitel hätten zugeordnet werden können.
Stärker durchgegliedert und in der Zusammenstellung der Beiträge deutlich homogener zeigt sich das vierte Kapitel, in dem Tourismusdestinationen und ihre räumlichen Verflechtungen thematisiert werden. Zunächst wird das methodische Spektrum zur Erfassung und Bewertung von Destinationen in acht Beiträgen vorgestellt, bevor der Tourismus und seine Entwicklung in Transformationsländern anhand von sechs Fallbeispielen (darunter Polen, Ungarn und Bulgarien) und mit weiteren acht Beiträgen in Entwicklungsländern (unter anderem Thailand, Mexiko und Domenica) dargestellt wird. Den Abschluss des vierten Kapitels bildet ein Abschnitt über "Planung, Marketing und Management von Destinationen". Hier finden sich sowohl allgemeine Ausführungen (z.B. Jurczek) als auch Fallbeispiele (z.B. Poske). Einen gewissen inhaltlichen Bruch und daher etwas deplatziert wirkt an dieser Stelle der Beitrag über "Reiseinformation und Reiseführer". Das fünfte und letzte Kapitel beschäftigt sich mit den Effekten von Freizeit und Tourismus für Wirtschaft, Regionalentwicklung und Umwelt. Auch hier handelt es sich um eine Zusammenstellung von Beiträgen, die sich der Thematik einerseits allgemein (z.B. Eisenstein/ Rosinski), andererseits anhand konkreter Beispiele (z.B. Eder) nähern.
Es ist als unbestreitbarer Verdienst der Herausgeber zu werten, mit dem vorgelegten Handbuch einen seit langem überfälligen, thematisch sehr breiten Überblick über den Stand und (partiell) die Entwicklung der Geographie der Freizeit und des Tourismus anzubieten. Allerdings hätte man sich zumindest teilweise eine größere inhaltliche Stringenz gerade innerhalb der gewählten Kapitel gewünscht, die beispielsweise mit einer "Mastergliederung" für die einzelnen Beiträge hätte realisiert werden können. Zudem muss kritisch angemerkt werden, dass der im Untertitel angekündigte "Ausblick" weitgehend fehlt, während es mit den genannten Einschränkungen sicherlich gelungen ist, "Bilanz" zu ziehen. Das Buch bietet somit einen guten Überblick für alle am Tourismus Interessierten, es beinhaltet eine Vielzahl wertvoller Informationen und wird dem Charakter eines Handbuches gerecht. Man wird es immer wieder zur Hand nehmen, um spezifische Informationen nachzuschlagen; es ist weniger ein "Lesebuch" für Touristiker.
Autor: Jürgen Schmude

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 50 (2006) Heft 2, S. 140-141