Robert Josef Kozljanic: Der Geist eines Ortes. Kulturgeschichte und Phänomenologie des Genius Loci. 2 Bde. Bd. 1: Antike - Mittelalter. 407 S., Bd. 2: Neuzeit - Gegenwart. 463 S. München 2004.

Wenn sich ein zweibändiges, über 850 Seiten umfassendes Werk mit dem Geist eines Ortes, ausgehend von dem antiken Genius Loci-Konzept und seinen vom Verfasser postulierten Transformationsprozessen bis in die Gegenwart hinein, befasst; wenn von den über 1.400 Fußnoten gleich die erste einem Geographen und seinem Werk gewidmet wird; wenn - im Klappentext - auch Humangeografen (sic!), explizit als wissenschaftliche Nutznießer dieser Abhandlung angesprochen werden: dann ist eine Rezension aus geographischer Sicht angezeigt.

Der Rezensent indes bekennt offen, dass er sich schwer tut mit diesem Werk, das nach seiner Sicht für die Geographie kaum ergiebig ist. Allerdings machen die Lektüre und eine dem Selbstverständnis des Verfassers gerecht werdende Rezeption es notwendig, Ziele und Methodik dieser Darmstädter Dissertation im Fach Philosophie zunächst zu benennen. Ausgehend und im Verfolg von einem "pluralistischen lebensphilosophisch-phänomenologischen Ansatz" setzt sich die voluminöse Studie insgesamt sechs Ziele, die hier in verkürzter Form wiedergegeben werden müssen, um einerseits dem zu besprechenden Werk, andererseits der folgenden Rezension gerecht zu werden. Es geht dem Verfasser um:
- eine Bestimmung von Begriff und Phänomen des antiken Genius Loci-Konzepts;
- Analyse des "dem archaisch-mythischen Genius Loci-Konzept zugrunde liegenden Mensch-Ort-Verhältnis einschließlich seiner baulichen Konsequenzen";
- Nachzeichnung der "begrifflichen, der phänomenalen und der mensch-ort-relationalen Ebene" der Kulturgeschichte dieses Konzepts von der Antike bis zur Gegenwart;
- Diskussion bedeutsamer phänomenologischer Theorien des 20. Jahrhunderts mit dem Ziel, "wesentliche Aspekte der mythischen, ästhetischen und atmosphärischen Dimension des Genius Loci philosophisch freizulegen";
- Auseinandersetzung und Beurteilung zeitgenössischer Stadtplanung und Landschaftsgestaltung als Ausdruck unterschiedlicher Genius Loci-Konzepte unserer Um- und Lebenswelt und
- Eröffnung zukunftsweisender Perspektiven für planerische und gestalterische Eingriffe unter Berücksichtigung
lokaler "Geist eines Ortes"-Konzeptionen.
Kurzum: es wird ein breit gefächerter und über 2.500 Jahre Ideengeschichte erfassender wissenschaftlicher Anspruch einschließlich einer gegenwartsbezogenen Anwendungsorientierung erhoben. Nicht zuletzt aufgrund der angesichts des Gesamtvolumens der Dissertation und des hohen Anspruchs sehr knappen und zudem sprachlich etwas
"blumigen" Schlussfolgerungen des Autors ist es aus fachlich-geographischer Sicht schwierig, dem Gesamtanliegen der beiden Bände, der Stringenz ihrer Argumentation, dem
wissenschaftlichen Gewicht des Quellenstudiums und der verwendeten Literatur sowie eines durchgängigen theoretischen Konzeptes gerecht zu werden. Was soll man davon halten, wenn es in den Schlussfolgerungen des Buches u.a. heißt: "Wie man sich in Zukunft im Einzelnen dazu stellen wird, wie man das, was mit dem Begriff Genius Loci angesprochen ist, und dabei je und je zum Mitklingen kommt, auch auffassen und einstufen wird: eine durchgängige Bedeutungskomponente, eine hinweisende Geste wird dem Begriff immer anhaften, nämlich die, dass mit ihm kein messbares Quantum, sondern ein charakteristisches, d.h. atmosphärisches und physiognomisches Qualitativum gemeint ist?" (Bd. 2, S. 427) Dem Rezensenten fällt es schwer, nach über 800 Seiten Exegese der Idee daran etwas so phänomenal Neues zu entdecken - sofern er denn überhaupt alle Intentionen des Verfassers verstanden hat. So verfolgen die folgenden Anmerkungen vor allem zwei Ziele. Zum einen seien die historischen Entwicklungslinien des Genius Loci-Konzeptes, so wie der Verfasser sie sieht, rekapituliert. Zum anderen seien die geographisch relevanten Aspekte kritisch hinterfragt und bewertet.
Der weitaus größte Teil der Abhandlung ist, wie im Untertitel treffend angekündigt, der kulturgeschichtlichen und phänomenologischen Rekonstruktion des Begriffes Genius Loci und seiner in Raum und Zeit sich verändernden inhaltlichen wie räumlichen Dimensionen gewidmet. Der Bogen reicht dabei von dem "archaisch-mythischen Ursprung des Genius Loci" (Kap. 2, S. 28-148) über "Die olympisch-mythische Überformung des Genius Loci durch ortsübergreifende Götter" (Kap. 3, S. 149-269) hin zu der Frage, wie das frühe Christentum "Die christliche Spaltung des Genius Loci in Lokaldämon und Lokalheilige" (Kap. 4, S. 271-407) bewerkstelligt habe. An dieser Stelle endet die historische und geistes- wie ideengeschichtliche Analyse des Genius Loci-Phänomens des Bandes 1, um in Band 2 fortgesetzt zu werden mit dem Kapitel über "Neuzeitliche Ästhetisierung, Auflösung und Geometrisierung des Genius Loci" (Kap. 5, S. 9-130) sowie über "Die Romantisierung des Genius Loci" (Kap. 6, S. 131-257). Aus geographischer Sicht interessant sind dabei immer wieder die vom Verfasser angeführten konkret-räumlichen Fallbeispiele für dieses oder jenes Locus-Konzept - wiewohl nicht immer überraschend! Umso schwieriger zu bewerten indes sind Diktion und Terminologien eines für Geographen nur schwer nachvollziehbaren Stils. Gleiches gilt für Begriffsbildungen, die allenfalls im Kontext dieser Arbeit, nicht aber als wissenschaftlich übertragbare Fachtermini verstanden werden können. Sie werden in der vom Verfasser selbst erstellten tabellarischen Übersicht als Zusammenfassung der genannten Kapitel 2 bis 6 angedeutet. Die Leser mögen sich ein Bild von den Intentionen und Begrifflichkeiten des Verfassers machen und entscheiden, ob die für die Geographie zentralen Termini Raum - Ort - Landschaft wie auch das postulierte Mensch-Ort-Verhältnis in ihrer phänomenologischen Wahrnehmung und Realität für unser Fach von Belang und Interesse sind, insbesondere ob die relationale Terminologie für geographische Fragestellungen von weiterführender Bedeutung ist. Nach Meinung des Rezensenten sicherlich nicht! (Tab. Bd. 2, S. 258)
Selbst wenn man anerkennen muss, dass die Tabelle lediglich Zwischenfazit eines über 600 Seiten umfassenden Diskurses über Genealogien und Genesen personifizierter Daimonen - Dämonen - Heiliger und ihrer räumlichen Manifestationen ist, so wird das typologische Anliegen und Interesse des Verfassers deutlich - ohne dass man aus geographischer Sicht daraus viel mehr denn eine Auflistung zuvor mehr oder weniger ausführlich dargestellter Fallbeispiele entnehmen könnte. Diese Feststellung gilt auch für die an- und abschließenden Kapitel 7 "Phänomenologische Entbergungen des Genius Loci" (Bd. 2, S. 259-344) und Kapitel 8 mit dem erwartungsvoll stimmenden Titel "Genius Loci
in der zeitgenössischen Landschaftsgestaltung und Stadtplanung" (Bd. 2, S. 345-426). Als Geograph schaut man mit Interesse auf die Rezeption und Interpretation philosophisch vorgedachter Phänomenologien von eher emotional oder sensitiv und zudem wohl subjektiv unterschiedlich wahrgenommenen Naturempfindungen (KLAGES, HEIDEGGER-Schule, SCHMITZ). Der Rezensent muss allerdings offen bekennen, dass er weder in den Ausführungen zu "Klimatische, jahres- und tageszeitliche Atmosphären als ‚in der Luft liegende' weiteräumliche Gefühle" oder "Landschaftsräumliche Atmosphären als richtungsräumliche, verdichtete und gegenstandsbezogene Gefühle" und noch weniger in den sprachlichen Formulierungen/Begriffen wie in den inhaltlichen Argumentationen Konkretes und für eine wissenschaftlich argumentierende Geographie Relevantes entnehmen kann. Und er wagt zu bezweifeln, ob solche wohl als naturästhetisch verstandene bzw. zu verstehende Umschreibungen von Naturempfindungen in dieser Form einer philosophisch begründeten Phänomenologie gerecht werden. Gleiches gilt auch für das Kapitel 8, in dem letzten Endes
drei Fallbeispiele (Landschaftsgarten Michelsdorf/Österreich; Versetzung eines als Teufelsstein bezeichneten Granitblocks in Uri/Schweiz; Stadtpark Hafeninsel in Saarbrücken) vorgestellt und unter Genius Loci-Aspekten diskutiert werden. Ganz abgesehen davon, dass hier der Zentralbegriff der Arbeit in einem sehr modifizierten und allgemeineren Sinn (Landschaft als beseeltes Wesen z.B.) verstanden wird, fällt der Brückenschlag zum Kern der Arbeit schwer. So geht es im Fallbeispiel des Landschaftsgartens z.B. darum, "etwaige Ortsdaimonen [...] zu erspüren, mit ihnen auf ‚emotionalintuitive' Weise ‚in Kontakt' zu treten und sie gartenbaulich zu berücksichtigen, d.h. ihre Orte angemessen hervorzuheben" (S. 349). Der Rezensent fühlt sich hier im besten Falle an geomantische Ideen, Vorstellungen und Argumentationsmuster erinnert. Kontextual noch weniger eingebunden scheint das dritte Fallbeispiel, wo eine innerstädtische Industriebrache und ihre Umgestaltung zu einer Erholungs- und Grünfläche als "ortsgebundener, ortsgestaltender Zeitgeist" umschrieben wird, ohne dass dem Rezensenten der Bezug zum Genius Loci-Konzept des Buches auch nur ansatzweise überzeugend klar würde. Im Gegenteil: hier ist des akademischen Bemühens denn doch zu viel und der Kontext zu dem ursprünglichen Anliegen des Buches wird obskur!
Aus geographisch-fachwissenschaftlicher Sicht fällt es dem Rezensenten schwer, in dieser Arbeit - trotz ihres zunächst einmal sehr fachnahen Themas - neue Ideen oder gar methodische Anregungen zu erkennen. Selbst dort, wo der Verfasser zu geographisch kontrovers diskutierten Themen sich äußert (wie z.B. zum lange Zeit zentralen Problemfeld der "Landschaft" in Bd. 1, S. 228ff.), begrenzt er sich auf die seinem spezifischen Argumentationsmuster dienlichen bzw. zugänglichen Vorarbeiten. Dabei gibt es doch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Abhandlungen zu dem, was in der Geographie nicht selten als "Wesen der Landschaft" bezeichnet worden ist! Als Beispiel sei hier nur auf die ebenso ausführliche wie kontroverse Diskussion um den Landschaftsbegriff, seine (Be-)Deutung innerhalb der Geographie und seiner inhaltlichen Ausfüllung verwiesen. (Zusammenfassend z.B. K. PAFFEN (1973), mit einem Sammelband von über 20 Beiträgen; BMWV (2000), mit 10 Beiträgen; oder auch die Aufsatzsammlungen von G. HARD 2002b, 2003.) Ähnliches gilt übrigens für den Raumbegriff, für Mensch-Ort (Umwelt?)-Verhältnisse etc. Nun wird man dem von der Philosophie her kommenden Autor schwerlich abverlangen können, sich vollständig und umfassend in die Fachliteratur der von ihm selbst bzw. seinem Verleger angesprochenen akademischen Zielgruppen einzuarbeiten und diese zu berücksichtigen. Umgekehrt aber kann man dann auch nicht Nachvollzug einer möglicherweise in der Philosophie üblichen Diktion und Begriffsbildung seitens dieser angesprochenen Fachdisziplinen erwarten. Die zu Ort und Landschaft analoge Begriffsbildung "Erdschaft" z.B., die dann als "unüberblickbare, teils kontinentübergreifende ‚klimatische Einheit'" verstanden wird, ist aus geographischer Sicht ebenso wenig sinnvoll und akzeptabel wie die Postulate einer stimmungsmäßig erfassbaren "weiteräumlich ergossenen, erdschaftlichen Atmosphäre" oder gar eine aus ästhetischer Sicht zu reduzierende "geviertsammelnde Erdschaftsmetapher". Hierzu bedarf es wohl zum einen eines über wissenschaftlich-rationale Erfahrung und Erkenntnisgewinnung hinausgehenden psychisch-emotionalen Sensibilisierungsgrades von Menschen (was der Verfasser an etlichen Stellen seines Werkes anmahnt); zum anderen bedarf es der Aufgabe allgemein üblicher wissenschaftlicher Standards von solchen Lesern und "Verwertern", die dieses Werk und seine Ausführungen zur Maxime eigenen Handelns erheben wollen. Soviel zu der Bewertung dieses an sich interessanten Themas aus geographischer Sicht!
Unabhängig von einer solchen aus fachwissenschaftlich-geographischer Sicht formulierten Stellungnahme gibt es eine ganze Reihe zusätzlicher allgemeiner Beobachtungen, die Licht auf das Thema des Buches und Behandlung dieser Themen werfen. Auf die eigenwillige sprachliche Gestaltung und zumindest für Nicht-Philosophen ungewöhnlichen typologischen Begriffsbildungen wurde bereits hingewiesen; überhaupt sind weite Passagen des weitläufigen und z.T. sehr deskriptiven Textes sprachlich schwer verständlich und nachvollziehbar. Das liegt zum einen an der oftmals spekulativen und auf Vermutungen bzw. auf nicht verifizierbaren Annahmen und Prämissen aufbauenden Argumentation des Verfassers. Konjunktivismen wie "könnte", "würde" oder "hätte" irritieren den Rezensenten, zumal dann, wenn darauf dann letzten Endes affirmativ formulierte Schlussfolgerungen aufgebaut werden. Auch der nicht seltene Verweis auf wenig abgesicherte Berichte, z.B. jene des Predigers Bekker aus Amsterdam über vermeintliche Hexereien und böse Dämonen oder jenen von "Teufelsbündnerei" im Oberpfälzischen des 20. Jahrhunderts - um hier nur ganz wenige Beispiele zu zitieren -, als kontextuale Bezüge zu realen oder imaginierten Lokaldämonen, gehen dem Rezensenten als ernst zu nehmende Phänomenologien doch zu weit. Solchen Bemühungen um die Benennung "konkreter" Fallbeispiele dienen dann, insbesondere im 1. Band, als Belegstellen für bestimmte Aussagen immer wieder auch Verweise auf Lexikonartikel, z.B. auf "Der kleine Pauly, Lexikon der Antike", "Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie", "Paulys Real-Encyclopaedia der classischen Altertumswissenschaft", "Handbuch der germanischen Mythologie", "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" usw. Um nicht missverstanden zu werden: Der Verfasser hat zum Beleg und zur Diskussion seiner Thesen ein beachtlich umfassendes Schrifttum über die genannten Quellen hinaus zusammengetragen, gesichtet und im Hinblick auf sein Anliegen z.T. auch ausführlich diskutiert; wissenschaftliches Schrifttum in englischer Sprache fehlt indes weitgehend. Auch findet der philosophisch nicht Vorgebildete das nicht, was man bei der wissenschaftlichen Thematik des antiken wie frühchristlichen Genius Loci-Problems erwarten würde: die Rezeption fachwissenschaftlich philosophischer, archäologischer wie auch theologischer Sekundärliteratur, die sicherlich in größerer Zahl als im Literaturverzeichnis angegeben verfügbar ist! Gerade die offenkundig herausragende Stellung etlicher Kultstätten der griechischen wie römischen Antike, aber auch christlich-religiöser Orte der Verehrung und Wallfahrt wird doch wohl begleitet von einer breit gefächerten Darstellung und seriösen Diskussion wie Interpretation durch Theologen, Philosophen, Kunsthistoriker, Archäologen ... Deren Rezeptionsgeschichten aber findet man kaum. Und sie ist wohl auch nicht intendiert angesichts des Anspruchs des Verfassers einer pluralistischen Phänomenologie, die "nicht die methodische Aus- und Umklammerung der Erfahrung, sondern das Zulassen von Erfahrung und das Analysieren von unreproduzierten Erfahrungen" zur methodischen Maxime erhebt (Bd. 1, S. 25).
Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück und fragen uns nach dem geographisch "verwertbaren" Teil dieser Studie, dessen Verfasser offensichtlich in der Altphilologie, der antiken Mythologie und einer hermeneutisch-philosophischen Denktradition bewandert ist, der Kultur- und Lebensphilosophie, Ästhetik und Mythodologie oder Tiefenökologie
zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählt und der mit seinen Erkenntnissen und Thesen Umweltpsychologen, Land-schaftsästhetiker, Naturschützer, Architekten und andere Mensch-Ort-Interessenten erreichen will. Ob der von ihm eingeschlagene Weg zielführend ist und tatsächlich die zuvor angesprochenen Adressaten zu erreichen und vor allem zu überzeugen vermag, wagt der Rezensent nachdrücklich zu bezweifeln. Ein solcher Skeptizismus ist umso gewichtiger, als die phänomenologische Interpretation von Orten und Räumen in letzter Zeit eine offenkundige Renaissance erfährt - und auch an der Geographie nicht spurlos vorübergeht. Dabei handelt es sich jedoch zumeist weniger um die für dieses Werk postulierte "lebenswissenschaftliche Phänomenologie", sondern um sozialwissenschaftlich-soziologische Auseinandersetzungen der Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Raum (KAUFMANN 2005; KRÄMER-BADONI u. KUHM 2003; LÖW 2001). Allerdings gibt es auch aus geographischer Sicht phänomenologisch-lebenswissenschaftliche Versuche, "gelebten Raum" wissenschaftlich zu erschließen (HASSE 2005).
Wenn man abschließend denn aus geographischer Sicht Meriten dieser Arbeit benennen will, dann lassen sich vielleicht die folgenden Aspekte benennen: a) die Aufarbeitung und Präsentation faktischer Lokalitäten und Monumente, die eine Nachdenklichkeit erzeugende Auseinandersetzung mit dem Thema "Mensch - Ort" aus geographischer Sicht stimulieren; b) eine kritisch-distanzierte Rezeption des hier propagierten Landschaftsbegriffs, der eine neue, wenngleich noch vagere Konnotation des in der Geographie schon kontrovers diskutierten unscharfen Begriffs anbietet; sowie c) die Nähe zu einigen Arbeiten "seelenverwandten" Anliegens, die z.T. auch in dieser Zeitschrift sehr widersprüchlich diskutiert worden sind. Hier ist insbesondere an die Beiträge von FALTER und HASSE (2001) und die sie provozierenden Repliken von GELINSKI, KÖRNER, EISEL und HARD zu denken. Alle diese Beiträge, die übrigens durchaus mit dem von KOZLJANIC vertretenen Konzept zu tun haben, ebenso wie die abschließende Auseinandersetzung zwischen FALTER und HASSE (2002) und HARD (2002a) werden in "Der Geist eines Ortes" ausgeklammert. Es sei die Behauptung gewagt, dass in diesen Diskursen (einschließlich der in ihnen verarbeiteten Sekundärliteratur) mehr zum Mensch-Natur-Verhältnis gesagt wird als wir es aus geographischer Sicht aus dieser voluminösen Kulturgeschichte des Genius Loci und seiner Phänomenologie lernen können.
BMWV (BUNDESMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND VERKEHR) (Hg.) (2000): Landschaft - Begriff und Wahrnehmung. Wien.
EISEL, U. (2001): Angst vor der Landschaft. Ein wissenschaftlicher Essay. In: Erdkunde 55, 159-171.
FALTER, R. u. HASSE, J. (2001): Landschaftsfotografie und Hermeneutik - Zur Ästhetik erlebter und dargestellter
Natur. In: Erdkunde 55, 121-137.
-    (2002): Geographie und das Mensch-Natur-Verhältnis. In: Erdkunde 56, 81-94.
GELINSKI, G. (2001): Ästhetik in der traditionellen Landschaftsgeographie und in der postmodernen Geographie - die Renaissance eines klassischen Paradigmas. In: Erdkunde 55, 138-150.
HARD, G. (2001): "Hagia Chora". Von einem neuerdings
wieder erhobenen geomantischen Ton in der Geographie. In: Erdkunde 55, 172-198.
-    (2002a): Eine einfältige Erzählung. Zu FALTERs und HASSEs Text über die "Geographie und das Mensch-Natur-Verhältnis". In: Erdkunde 56, 95-104.
-    (2002b): Landschaft und Raum. Aufsätze zur Theorie der Geographie 1. Osnabrücker Studien zur Geographie 22. Osnabrück.
-    (2003): Dimensionen geographischen Denkens. Aufsätze zur Theorie der Geographie 2. Osnabrücker Studien zur Geographie 23. Osnabrück.
HASSE, J. (Hg.) (2005): Graf Karlfried von Dürckheim -
Untersuchungen zum gelebten Raum. Natur, Raum, Gesellschaft 4. Frankfurt a.M.
KAUFMANN, S. (2005): Soziologie der Landschaft. Wiesbaden.
KÖRNER, S. (2001): Landschaftsästhetik und Sinn. Zur Natur-hermeneutik FALTERs und HASSEs. In: Erdkunde 55,
151-158.
KRÄMER-BADONI, T. u. KUHM, K. (Hg.) (2003): Die Gesellschaft und ihr Raum. Raum als Gegenstand der Soziologie. Opladen.
LÖW, M. (2001): Raumsoziologie. Frankfurt a.M.
PAFFEN, K. (Hg.) (1973): Das Wesen der Landschaft. Wege der Forschung 39. Darmstadt.
Autor: Eckart Ehlers

Quelle: Erdkunde, 60. Jahrgang, 2006, Heft 4, S. 384-387