Kevin Phillips: Bad Money. Reckless Finance, Failed Politics, and the Global Crisis of American Capitalism. New York 2008. 256 S.

Verf. beschäftigt sich mit den Finanzpraktiken im Zeitalter von Robert Rubin und Henry Paulson und der Weltherrschaft von Goldman Sachs. Er behauptet, dass das finanzielle Draufgängertum im Zusammenspiel mit Peak Oil und dem Aufstieg der asiatischen Wirtschaftsmacht der amerikanischen Führungsposition in der Welt und dem Lebensstandard der USA, die beide vom Wert des Dollars abhängig sind, ein Ende bereiten wird – mehr noch, dass sie das längst getan haben. Der Vorbote des Zusammenbruchs habe uns in der Form der Subprime-Hypotheken- und der Bankenkrise bereits ereilt, und deren Konsequenzen würden zukünftige imperiale Abenteuer – im Irak oder sonstwo – undurchführbar machen.

Das Problem beginnt mit der Privathaushaltsverschuldung. Der Summe aller privaten Kreditmarktschulden am Volkseinkommen (gemessen als Bruttoinlandsprodukt) zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Aufstieg Ronald Reagans hielt sich im Prinzip auf einem konstanten Niveau. Danach begann sein rapides Wachstum, das zum Anfang des 21. Jh. den einstweiligen Höhepunkt von 1929 überschritt und auch danach noch anschwoll. 2006 beläuft sich dieser Anteil auf das Dreifache des Bruttoinlandsproduktes und das Doppelte der Summe aus den Goldenen Jahren. Den größten Anteil an der Verschuldung machten die Hypothekenschulden aus, und ein gewaltiger Batzen davon waren Subprime-Hypothekenschulden – finanzielle Zeitbomben, sorgfältig abgepackt und an Pensionsfonds, Hedgefonds, umfangreiche Einzelfonds und leichtgläubige Auslandsinvestoren verkauft.
Verf. merkt zu Recht an, welche Rolle die Hochzinspolitik und die Finanzmarktliberalisierung des ehemaligen Notenbankchefs Paul Volcker dabei spielte, uns auf diesen Weg zu schicken. Dabei hätte Verf. auch noch mehr über Reagans Steuerpolitik sagen können, denn die ›angebotsorientierte Wirtschaftspolitik‹ schuf für die Chefs in den Konzernetagen enorme Anreize, zurückgeflossene Profite, die bis dahin die finanzielle Hauptstütze der Investitionstätigkeit gebildet hatten, in die Managergehälter und Dividenden umzuleiten. Die ›Reform‹ der Sozialversicherung durch Alan Greenspan schröpfte 1983 die Arbeiter durch eine Erhöhung der Lohnsteuer, und in der Steuerreform von 1986 blieben aus politischen Gründen die Hypothekenzinsen die einzige Form der Steuervergünstigungen. Vor diesem Hintergrund wurden immense Anreize geschaffen, die Heimeigentümerschaft auszubauen und damit den Immobilienbereich zu finanzialisieren. Folge davon war eine Verlagerung der Finanzierung von Konsumgütern weg von den Einkommen und hin zur Verschuldung, was ich insofern eine »keynesianische Devolution« genannt habe, als sich in diesem Kontext die Verschuldungsaktivität von den Regierungen auf die Privathaushalte verlagerte. Das war nicht nur schlecht. In den 1990er Jahren befestigte die Verschuldung das Wachstum und den Wohlstand, die Vollbeschäftigung und sogar einen kurzen Moment eines ausgeglichenen Staatshaushalts. Und doch war all dies nicht dauerhaft tragbar. Als Clinton sein Amt verließ, platzte die Technologieblase. In der Amtszeit von George W. Bush trat an deren Stelle eine gigantische Immobilienblase, deren Zerstörungskraft sich durch die Subprime-Hypotheken und ihre Substitution durch handelbare Wertpapiere als besonders verheerend erweisen konnte. Dieses Arrangement konnte angesichts steigender Zinsen nicht nachhaltig sein, die Schuldenfalle schloss sich. Der Prophet dieser Katastrophen war Hyman Minsky, ein Keynesianer, der seine Forschung v.a. auf die Finanzinstabilität richtete, ein Randthema, dessen Existenz von den Mainstream-Wirtschaftswissenschaftlern ignoriert wird. Tatsächlich wäre es kein Problem, ein fast genauso schockierendes Buch über das intellektuelle Versagen der Wirtschaftswissenschaftler zu schreiben. Und dieses, bis zur Stunde anhaltende Versagen hat zur Folge, dass die überwältigende Mehrheit von ihnen keinen Plan hat, was gerade vor sich geht, oder sich bewusst gleichgültig dazu verhält.
Von Minsky stammt die Unterscheidung von drei Schritten auf dem Weg ins Verderben. Der erste Schritt ist das »Hedging«, eine Phase, in der die Akteure ihre Schulden mit (laufendem) Einkommen zu tilgen versuchen. Der zweite Schritt ist die »Spekulation«, bei dem die Schuldner Schulden aufnehmen, von denen sie wissen, dass sie sie später werden
zurückzahlen müssen. Der dritte Schritt ist »Ponzi«, d.h., dass die Schulden sich schneller auftürmen, als sie bearbeitet werden können, und der Ruin unausweichlich wird. Die 1980er Jahre sah Minsky als einen Übergang der Volkswirtschaft der USA von einer Hedge- zu einer spekulativen Position. Die Bush-Ära markiert den Übergang zur Ponzi-Finanzierung.
Die Inflation ist ein Symptom dieses Auflösungsprozesses: Die Preise für Wohnung, College, Gesundheitsfürsorge, Lebensmittel und Benzin sind alle deutlich gestiegen. Verf. richtet unsere Aufmerksamkeit allerdings auf etwas, das seiner Meinung nach eigentlich nur mit dem Begriff der Verschwörung bezeichnet werden kann. Dabei gehe es darum, so wenig
Informationen wie möglich über diese Entwicklungen in die offiziellen Daten durchsickern zu lassen. Vor allem die Regierung hat die Inflationskalkulationen mit zwei Methoden geschönt: Einmal, indem der rapide Preisverfall in der Computertechnologie als Qualität einberechnet wurde und dann die Tatsache der Konsumgewohnheitsverlagerungen als Folge von rapide ansteigenden Güterpreisen. Mit anderen Worten: Steigen die Preise für Steaks und die Konsumenten steigen auf Hühnchen um (und wer von uns ist das noch nicht?), scheint keine Inflation vorzuliegen, da Rindfleisch nicht mehr konsumiert wird. Diese beiden Maßnahmen haben zur Folge, dass die gemeldete Inflationsrate niedriger ist als die wirkliche Inflation, womit sich dann als Konsequenz die vorgegebenen Lebenshaltungskostenzuschläge in den Lohn- und Arbeitsverträgen und die Sozialversicherungsleistungen reduzieren lassen. Andere Faktoren, die tatsächlich zu einer niedrigeren Preisentwicklung beitrugen – internationale Konkurrenz, billige Konsumgüter aus Fernost und enorme Zuflüsse ausländischen Kapitals – werden allerdings nicht erwähnt.
Das Buch ist dort besonders gut, wo er sich mit dem Verhältnis zwischen dem Beginn der Nutzung des Öls als fossilem Brennstoff und dem Aufstieg der USA gegenüber dem kohlebasierten Europa beschäftigt. Verf. spitzt diesen Zusammenhang zu und gelangt zu einer bemerkenswerten Erkenntnis: In der letzten Generation operierten die Vereinigten Staaten auf der Grundlage eines »Ölstandards«. Solange die Macht der USA die Preisstabilität für das schwarze Gold garantierte, beschränkte sich die Inflation auf die Bedeutung des Öls für alles, was wir produzierten oder kauften. Diese Quelle der Stabilität ist Vergangenheit. Das Ende wurde ihr gesetzt vom Peak Oil, der geophysischen Realität, dass das Angebot mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten kann. Die Kompensation durch die saudischen Ölfelder ist damit dahin, und folglich auch die Macht der USA, um einen stabilen Ölpreis zu feilschen.
Wir haben die Schwelle zu einem Zeitalter der Monopolmacht überschritten. Aus diesem Grund, womöglich mehr als aus jedem anderen, wird der Dollar aus den Angeln gehoben. Wir sind damit am Schlussargument des Verf. angelangt: Dem Aufstieg der asiatischen Macht, die man ihm zufolge am besten als eine vielverzweigte Hypermacht beschreibt, welche die Energieressourcen des Persischen Golfes mit der Militärmacht (und dem Atomwaffenarsenal) Russlands, dem technischen Geschick Japans und Südkoreas und dem grenzenlosen Arbeitskraftreservoir Chinas verbindet. In dem Maße, wie Asien zu einer vereinten politischen Stimme gelangt, wird es seiner Meinung nach Europa in den Schatten stellen und das Ende der USA bedeuten. Die Geschichte der Imperien – angefangen von Rom über Spanien bis Großbritannien – liefere keine Beispiele, wie der Zugriff des Finanzwesens und des Militarismus auf die USA gelockert werden könne, um den Zusammenbruch ›zuhause‹ doch noch abzuwenden.
Verf. streicht die zwei entscheidenden Fehler der neokonservativen Militaristen heraus: ihr ökonomisches Analphabetentum und ihre Unfähigkeit zu begreifen, dass in der Welt des 21. Jh. die alleinige militärische Macht neutralisiert worden ist, wie es der Irakkrieg mittlerweile allen verdeutlicht haben sollte. Es ist das Zusammenspiel dieser beiden Versagensmomente – eines allein hätte nicht ausgereicht –, dass eine Fortsetzung der neokonservativen Macht für die Zukunft so gefährlich macht. Doch müssen wir uns dem Pessimismus des Verf. anschließen? Sicherlich besteht in der amerikanischen Politik mit ihren militaristischen Republikanern und Wall-Street-Demokraten wenig Grund zur Hoffnung. Als ein Berufsreformer hoffe ich jedoch trotz alledem. Auch über die raue militärische Macht hinaus existierten in der Nachkriegswelt nach 1945 Gründe, die USA mit der Führungsrolle zu beauftragen. Einer dieser Gründe war, dass sie ein Ideal verkörperten, das von einem Großteil der Welt geteilt wurde: die Gesetzesherrschaft, die internationale Zusammenarbeit und das Ziel, dauerhaften Frieden zu stiften. Ein anderer Grund war, dass sie die Fähigkeit demonstrierten, neue Technologien und ökonomische Transformationen zu generieren, was der gesamten Welt eine Hoffnung auf Wohlstand und Entwicklung gab.
Den ersten Vorteil haben sie verspielt, den zweiten beschädigt. Doch hat bislang noch kein Land und keine Region der Welt – nicht einmal Europa – einen überzeugenden Versuch unternommen, die USA auf der einen oder anderen Ebene zu ersetzen. Aus diesem Grund orientiert sich ein Großteil der Welt an den USA – nicht auf der Suche nach Erlösung oder Schutz, aber als einem Land, das vor nicht allzu langer Zeit eine historische Vorstellung von einer Verantwortung für die Welt besaß. Gelänge es den USA, die vor uns liegenden Aufgaben – unseren Energiehaushalt radikal zu ändern und Lösungen für den Klimawandel – zu lösen, dann bestünde eventuell die Möglichkeit, diese Rolle neu auszufüllen. Gesetzt diesen Fall, würde der Rest der Welt die USA vielleicht weiter finanzieren.
Autor: James Kenneth Galbraith
Diese Rezension erschien ursprünglich im Texas Observer,
übersetzt aus dem Englischen von Ingar Solty

Quelle: Das Argument, 51. Jahrgang, 2009, S. 535-537