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Kategorie: Rezensionen

Ilaria Mariotti: Firm relocation and regional policy. A focus on Italy, the Netherlands and the United Kingdom. Utrecht, Groningen 2005 (Nederlandse Geografische Studies 331). 278 S.

Mit ihrer Dissertation 'Firm relocation and regional policy' greift ILARIA MARIOTTI ein klassisches wirtschaftsgeographisches Thema auf, geht es doch um das Spannungsfeld zwischen einer aktiv betriebenen nationalen Politik der Wirtschaftsförderung einerseits und einer europäisch-transnationalen Förderpolitik der Europäischen Union, die neben der Berücksichtigung deregulierender Maßnahmen auch andere Fördermaßstäbe an die Mitgliedsstaaten stellt, andererseits. Förderkulissen und die Definition dessen, was in welchem räumlichen Kontext als peripher wahrgenommen wird, müssen damit nicht zwingend deckungsgleich sein. Hinzu kommt mit der Globalisierung nun auch der internationale Wettbewerb interessanter Wirtschaftsstandorte.
Den Zusammenhang zwischen Unternehmensverlagerungen und regionaler Wirtschaftsförderung stellt MARIOTTI über vier Forschungsfragen her und untersucht diesen vergleichend für Italien, die Niederlande und Großbritannien:
(1) Inwieweit lassen sich regionale Förderungsmaßnahmen mit Standort- und Verlagerungstheorien zur Deckung bringen?
(2) Konkretisieren sich diese Überschneidungen in der praktischen politischen Umsetzung?
(3) Welche Gründe veranlassen Firmen, ihren Betrieb (vollständig oder partiell) in periphere Regionen zu verlagern?
(4) In welchem Maße nimmt die Globalisierung Einfluss auf das Verlagerungshandeln der Unternehmer?
Das Phänomen der Verlagerung wird im Wesentlichen über den Regionsbegriff differenziert (intra- und interregional sowie international). Damit rückt MARIOTTI, wenngleich nicht unkritisch, bewusst den geometrisch-distanziellen Aspekt in den Vordergrund, was insofern problematisch ist, als nun das Entfernungskriterium als wesentlicher kausaler Faktor für Verlagerungsunterschiede herangezogen wird. Den Blick auch deutlicher auf topologische Zusammenhänge zu richten, also den Netzwerkgedanken zu berücksichtigen, hätte der intendierten Stoßrichtung eine zusätzliche argumentative Kraft verliehen.
Wer sich jedoch genau für diesen Zusammenhang interessiert, findet eine überzeugend strukturierte Arbeit vor. Es ist MARIOTTI gelungen, die thematischen Bausteine in sich schlüssig und sachlogisch aufeinander aufbauend zu präsentieren. Auf den Überblick theoretischer Ansätze - hier greift sie neoklassische, verhaltens-, institutions- und evolutionstheoretische Überlegungen auf - und ihrer Implementierung in regionalpolitische Strategien, folgt, vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen, die Darstellung der gegenwärtigen Situation in den drei Ländern. Dabei werden Unternehmensverlagerungen auf nationaler Ebene von solchen, die explizit dem Zentrum-Peripherie-Muster einerseits und den grenzüberschreitenden Aktivitäten andererseits zugeordnet werden können, unterschieden.
Ihre ausführlichen und tief gehenden, durch eine Vielzahl von Tabellen ergänzten Analysen werden durch eine teilweise schlechte Qualität der Abbildungen - was die Reproduktion, aber auch den Aussagegehalt betrifft - sowie durch begriffliche Unklarheiten an manchen Stellen (z.B. verwendet MARIOTTI 'decentralisation' im Sinne von 'deconcentration') etwas getrübt. Wünschenswert wären darüber hinaus eine Berücksichtigung regulationstheoretischer Ansätze sowie eine Erklärung für die getroffene Auswahl der drei untersuchten Länder gewesen.    
Autor: Andreas Koch

Quelle: Erdkunde, 61. Jahrgang, 2007, Heft 1, S. 113