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Kategorie: Rezensionen

Klaus Selle (Hg.): Zur räumlichen Entwicklung beitragen. Konzepte. Theorien. Impulse. Dortmund 2006 (Planung neu denken 1). 580 S.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich KLAUS SELLE in seinen Publikationen mit den vielschichtigen Veränderungsprozessen in der räumlichen Planung, immer wieder der Frage nachgehend, wie Planung unter gegenwärtigen Bedingungen funktioniert bzw. überhaupt funktionieren kann. SELLEs Antwortversuche auf diese Frage kommen meist in zwei Formen daher: planungstheoretische Systematisierungen einerseits (z.B. "Was ist bloß mit der Planung los?" (SELLE 1994)), andererseits breit angelegte Sammlungen von Praxisbeispielen, die die differenzierte und oft genug ambivalente Situation der Planung und ihrer Theoretisierung reflektieren sollen.
"Zur räumlichen Entwicklung beitragen" fällt in die zweite Kategorie. Der Band ist Teil eines umfassenderen Gesamtprojektes, das die Absicht verfolgt, zusammenzutragen, "was die Diskussion über eine Neubestimmung räumlicher Planung und Entwicklung [im deutschsprachigen Raum] weiter anregen und befördern könnte. [...] So sollte also Neues und Altes, Erprobtes und Experimentelles, Systematisches und Essayistisches [...] zusammengetragen werden - auf dass ein breites Spektrum unterschiedlicher Positionen, Betrachtungsweisen und Erfahrungshintergründe sichtbar werde" (S. 12). Die Begrenztheit dieses einleitend formulierten Anspruchs ist zu bedenken: Wer nach einem stimmigen Bild, einer "großen" Synthese oder etwa nach einem Lehrbuch zur Planung sucht, der wird enttäuscht werden. Allerdings muss man die anderen Teile des Gesamtprojektes mitdenken. Zum einen ist parallel zu diesem theoretisch reflektierenden Werk ein zweiter Sammelband veröffentlicht worden, der die "Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung" (SELLE 2006) in den Blick nimmt. Zum anderen werden diejenigen, die eine stärker synthetisierende Herausgeberschaft vermissen, verwiesen auf "Planen. Steuern. Entwickeln. Der Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land" (SELLE 2005), worin SELLE eine (680 Seiten!) umfassende eigene Positionsbestimmung vorgenommen hat.
Der hier rezensierte Band besteht aus 36 Aufsätzen verschiedener AutorInnen(teams), die aus unterschiedlichsten Perspektiven neu über Planung(stheorie) nachdenken sollten. Die extreme Vielfalt der Beiträge hat zu einem "Sammelsurium" geführt und es dem Herausgeber schwer gemacht, den Band inhaltlich zu strukturieren. Zwei große Teile ("Rückblicke und Stand der Diskussion" sowie "Ausblicke, Herausforderungen und Impulse") sind wiederum in vier bzw. drei Unterthemen differenziert worden. Dieser Versuch, dem Ganzen eine rudimentäre Struktur zu geben, ist nur bedingt erfolgreich, was allerdings in der Natur der Aufgabe wie auch der Sache selbst liegt. Denn schon über die Definition der Sache Planung gehen die (selten explizit gemachten) Vorstellungen der AutorInnen ziemlich auseinander, sodass SELLEs einleitender Versuch einer explikativen Eingrenzung des Gegenstands - "wie öffentliche Akteure zur räumlichen Entwicklung beitragen (können)" (S. 17) - erzwungenermaßen sehr breit bleibt.
Es kann nicht verwundern, dass sich die Einzelbeiträge von ihrer Qualität und vor allem ihrer Originalität (im Sinne von Neuigkeitswert) her sehr unterscheiden. Nicht alle haben die Aufforderung zum (möglicherweise auch radikalen) Neudenken von Planung wirklich konsequent umgesetzt, auch finden sich einige Wiederabdrucke oder Umarbeitungen andernorts veröffentlichter Aufsätze. Dennoch stößt man auf viele anregende Gedanken und Ideen, wobei deren Neuigkeitswert verständlicherweise sehr vom Hintergrund des jeweiligen Lesers abhängt. Besonders interessant erscheinen mir die Aufsätze von FEHL, SPIEGEL, VON BORRIES u. PRIGGE, KIL und auch die beiden Beiträge von Geographen, nämlich von HELBRECHT und GANSER. Akzeptiert man also die von SELLE explizit dargelegten Beschränkungen, so liefert der Band für Fachleute unterschiedlichster Herkunft und Einbettung eine Vielzahl spannender Anregungen zur Reflexion über Planung und Stadtentwicklung im weitesten Sinne.
Literatur
SELLE, K. (1994): Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem Weg zum kooperativen Handeln.
Ein Werkbuch. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Blaue Reihe 69. Dortmund.
-    (2005): Planen. Steuern. Entwickeln. Der Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. edition stadt entwicklung. Dortmund.
-    (Hg.) (2006): Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung. Analysen. Erfahrungen. Folgerungen. Planung neu denken 2. edition stadt entwicklung. Dortmund.
Autor: Ludger Basten

Quelle: Erdkunde, 61. Jahrgang, 2007, Heft 1, S. 125-126