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Kategorie: Rezensionen

Joris E. Van Wezemael: Investieren im Bestand. Eine handlungstheoretische Analyse der Erhalts- und Entwicklungsstrategien von Wohnbau-Investoren in der Schweiz. St. Gallen 2005 (Publikation der Ostschweizerischen Geographischen Gesellschaft, Neue Folge, 8). 251 S.

Die Siedlungsentwicklung in marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften ist neben planerischen Eingriffen der öffentlichen Hand vor allem beeinflusst durch das Handeln der Immobilieninvestoren. Möchte man also den Verlauf der baulichen Entwicklung verstehen und deren Ursachen ergründen, so ist es unumgänglich, sich mit den Handlungsmotiven der Investoren auseinanderzusetzen. Dieser Herausforderung nimmt sich van Wezemael in seiner Diss. an und stellt die Investoren an den städtischen Wohnimmobilienmärkten der Schweiz im Sinne von "geography makers" in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Auf Objektebene fokussiert er dabei insbesondere auf die sogenannten Hausse-Bauten der Nachkriegszeit, die aufgrund ihres Alters und der damit erforderlichen Sanierungen "als Herausforderung für das 'Bauwerk' Schweiz" zu sehen sind. Der Autor stellt sich zu Beginn der Arbeit selbst die Frage, wie sich der Siedlungsraum in Zukunft in Abhängigkeit von der Entwicklung des bestehenden Wohnungsparks als Baustein der Siedlungsentwicklung entfalten wird. Die Antwort darauf sucht er mit Hilfe eines handlungstheoretischen Forschungsdesigns zu finden, das einen ausschließlich qualitativen Zugang zu der aufgespannten Thematik verfolgt und mit dem Handeln der Investoren einen Aspekt in den Blickpunkt rückt, der bislang in der deutschsprachigen Forschung trotz seiner offensichtlichen Relevanz kaum Beachtung fand.
Im zweiten Teil des Buches entwickelt van Wezemael in überzeugender und nachvollziehbarer Weise das für die Untersuchung erforderliche Theoriegerüst hin zu einer handlungstheoretischen Wirtschaftsgeographie. Der dritte Teil befasst sich mit der Wohnimmobilienwirtschaft im Allgemeinen und den Hausse-Bauten im Besonderen. Die Ergebnisse seiner Forschung - die auf der Auswertung von 22 Interviews mit Akteuren des Wohnungsmarktes (davon 20 Investoren) und deren Synthese mit den zuvor erörterten Grundlagen beruhen - präsentiert der Autor im vierten Teil. Dabei wird ersichtlich, auf welch unterschiedliche Weise die verschiedenen Typen der Wohnbauinvestoren (Immobilienfonds, Wohnbaugenossenschaften, Private etc.) agieren. In diesem Rahmen werden unter anderem Aspekte wie rechtliche Größen, Einbindung der Mieter in die Bestandsentwicklung und Modi der Regionalisierung thematisiert. Auch der Megatrend des demographischen Wandels wird in diesem Kontext erörtert und der Leser erfährt zu seiner Überraschung, dass dieser für alle Akteure durchaus existenzielle Faktor in deren Orientierungsrahmen deutlich unterbewertet wird. In seinem Schlussteil fasst der Autor seine Befragungspartner in fünf Gruppen zusammen und zeigt den Dualismus ihrer Erhaltsund Entwicklungspraxis einerseits sowie der Wohnungsangebots- und Siedlungsentwicklung andererseits auf. Van Wezemael selbst empfiehlt eine "adäquate Bestandsentwicklung" im Sinne der Schaffung bzw. des Erhalts einer möglichst hohen Nutzungsflexibilität der Wohnimmobilienobjekte.
Dem eigenen Anspruch, mit seinem "qualitativen Zugang und dem auf Verstehen zielenden Fokus eine alternative Sichtweise (zu) erlauben und die Forschungslandschaft (zu) ergänzen", wird van Wezemael zweifellos gerecht. Seine Herangehensweise eröffnet Interpretationsmöglichkeiten, welche mittels quantitativer Analysen verschlossen blieben. Auf den Mangel des mit lediglich 22 Interviews recht dünnen Fundaments der Argumentation - gerade vor dem Hintergrund der Heterogenität der Akteure - weist der Autor selbst hin. Eine scheinbare Homogenität der Investoren wird zudem dadurch suggeriert, dass die äußerst heterogene und komplexe Gruppe der privaten Eigentümer in der Untersuchung vollständig ausgeblendet wird. Eine begleitende Befragung mit dem Instrument des standardisierten Fragebogens hätte hier sicher zur Evidenz beigetragen. In diesem Kontext wäre es zudem wünschenswert gewesen, die Interviewleitfäden zur Erhöhung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit dem Anhang beizufügen. Dennoch liegt hier eine sehr gelungene Arbeit zum immer wichtiger werdenden Thema der Bestandentwicklung vor. Es bleibt zu wünschen, dass künftig weitere Wissenschaftler dem Beispiel van Wezemaels folgen und das für die (Wirtschafts-)Geographie bedeutsame Verständnis der Immobilienmaktprozesse und ihrer Akteure erweitern.
Autor: Matthias Pink

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 51 (2007) Heft 2, S. 142-143