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Kategorie: Rezensionen

Norman Backhaus, Claude Reichler, Matthias Stremlow: Alpenlandschaften - Von der Vorstellung zur Handlung. Thematische Synthese zum Forschungsschwerpunkt I "Prozesse der Wahrnehmung", Synthesebericht NFP 48. Zürich 2007. 136 S.

Jürg Stöcklin, Andreas Bosshard, Gregor Klaus, Katrin Ruddmann-Maurer, Markus Fischer: Landnutzung und biologische Vielfalt in den Alpen. Fakten, Perspektiven, Empfehlungen. Thematische Synthese zum Forschungsschwerpunkt II "Land- und Forstwirtschaft im alpinen Lebensraum", Synthesebericht NFP 48. Zürich 2007. 191 S.

Mit dem Nationalen Forschungsprogramm 48 hat sich die Schweiz dringenden Forschungsfragen der Regionalentwicklung in den Alpen gewidmet. Die Ergebnisse der vielen Projekte, die dabei durchgeführt wurden, werden in den sogenannten "Thematischen Synthesen" zusammengefasst. Dies ist sehr lobenswert, weil damit nicht nur dokumentiert werden kann, was geleistet und welche neuen Erkenntnisse gewonnen wurden, sondern auch gezeigt wird, wie die einzelnen Projekte miteinander in Beziehung stehen. In gewisser Weise wird der Mehrwert des Programms gegenüber isoliert geförderten Einzelprojekten dabei klar herausgestellt. Band 1 ist in interdisziplinärer Zusammenarbeit eines Geographen, eines Kulturwissenschaftlers und eines Geisteswissenschaftlers entstanden. Angesichts des Themas "Alpenwahrnehmung" würde man vielleicht noch einen Ökopsychologen vermissen, ein Desideratum, das jedoch bei weiterer Lektüre kaum ins Gewicht fällt, weil die Methoden und das Erkenntnisinteresse dieser Disziplin auch durch perzeptionsgeographische Ansätze, die hier durchaus dargestellt werden, abgedeckt werden. Insgesamt berücksichtigt die Synthese alle 35 Einzelprojekte, die in NFP 48 gefördert wurden, konzentriert sich aber auf die sieben Projekte, die Prozesse der Wahrnehmung untersucht haben. Dies geschieht keineswegs additiv, sondern in einem ganzheitlichen Ansatz, in dem die Einzelprojekte nicht mehr identifizierbar sind. In dieser Synthese liegt auch der große Wert des Buches. Der Band endet mit Empfehlungen zum Alpendialog und zeigt auf, dass auf eine verbesserte Wahrnehmung auch Handlungen folgen müssen. Dabei bleiben diese Empfehlungen freilich relativ blass. Auch Band 2 bezieht alle 35 Projekte in die Zusammenschau ein und stellt Struktur und Entwicklung der alpinen Landschaft, die Veränderungen der Biodiversität sowie die gesellschaftlichen Anforderungen dar. Anders als in Band 1 sind die abschließenden Kapitel stark anwendungsbezogen. Zunächst werden (vier) Szenarien der alpinen Kulturlandschaftsentwicklung zur Diskussion gestellt, bevor im Schlussteil konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden. Nicht nur deswegen kann postuliert werden, dass dieser Band eine gute Rezeption finden wird. Er ist auch mit Graphiken und Photos sehr gut veranschaulicht und bietet für die weiterführende Forschung eine gute Informationsquelle. Natürlich gilt dies auch für Band I, der jedoch - der fachlichen Ausrichtung der Autoren entsprechend - weit mehr wortorientiert ist und eine höhere Lesedisziplin verlangt. Insgesamt aber sind beide Bände ein sprechender Beleg für die Qualität der Schweizer Regionalforschung, für die Sinnhaftigkeit eines so groß angelegten Forschungsprogramms und für den Wert multi- und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Es kann nur gehofft werden, dass andere Länder dem Schweizer Beispiel folgen: Forschungsprogramme dieses Zuschnitts bieten einen echten Mehrwert gegenüber Einzelforschungen, sie können dies aber erst dann sinnvoll belegen, wenn am Ende Synthesen stehen. Die Schweiz hat hierfür ein nachahmenswertes Beispiel geliefert.
Autor: Axel Borsdorf

Quelle: Die Erde, 139. Jahrgang, 2008, Heft 4, S. 352-353