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Kategorie: Rezensionen

Claudia Gather, Birgit Geissler u. Maria S. Rerrich (Hg.), Weltmarkt Privathaushalt: Bezahlte Hausarbeit im globalen Wandel. Münster 2002. 239 S.

Erwerbsförmige Hausarbeit wird vor dem Hintergrund einer Internationalisierung des Privathaushalts oft als "rechtsfreier Raum" und "politisches Niemandsland" betrachtet, kaum beachtet von den nationalen Gewerkschaften, ausgeschlossen aus akademischen Diskussionen (9). Da sie als "extraterritoriale" Arbeitsform nicht der Regulierung des Staates, sondern privater Regelung unterliegt, haben ihre Arbeitskräfte kaum eine institutionelle Interessenvertretung (10).

Die "Dienstmädchenfrage" weist für Hg. auf einen Proletarisierungsprozess hin, der eine Verberuflichung und Modernisierung von Hausarbeit in Gang setzt und sie gleichzeitig verhindert (12). Es kommt, so Gather und Hanna Meißner im Anschluss an Joachim Hirsch, zur "Polarisierung der Arbeiterschaft" und zum "Entstehen von Teilzeit-, Heim- und Leiharbeit" sowie von einem "peripheren Produktions- und Dienstleistungssektor außerhalb des industriellen Sektors" (122). Die Informalisierung der Arbeit bringt eine Rückkehr "feudaler Herrschaftsverhältnisse" mit sich (Barbara Thiessen, 143). Das "Schattenarbeitsmarktsegment" (Gather/Meißner, 133) informeller Hausarbeitsverhältnisse ist dabei widersprüchlich. Es unterscheidet sich von den neuen Formen des Wirtschaftens, basiert aber ebenfalls auf der individualisierten, eigenverantwortlichen Vermarktung der Arbeitskraft. Das Fehlen schriftlicher Verträge und formeller Beschäftigungsregelungen zwingt die Arbeitskraftbesitzerin, ›Unternehmerin ihrer selbst‹ zu werden und sich "selbstorganisiert zu vermarkten" (123). Damit vereint diese Arbeitsform
Züge frühkapitalistischer und ›postfordistischer‹ Arbeitsteilung (133).
In der geschlechtshierarchischen Proletarisierung entsteht eine neue "Dienstklasse" (Rerrich, 17). Mittelschichtfrauen in kapitalistisch entwickelten Staaten entlasten sich von verpönter Hausarbeit und von der "Doppelbelastung durch Profession und Familienversorgung " (Helma Lutz, 92), indem sie diese auf andere, schwarz arbeitende Frauen übertragen. Als "Notlösung" (Sabine Hess, 109) angesehene "Trans-Migranten", Au Pairs, Dienst- und Kindermädchen sowie Putzfrauen aus Osteuropa, Südamerika und Asien konstituieren eine auf Grund von "partikularistischen Standards und diffusen Aufgaben" (Gather/Meißner, 121) unorganisierte, schlecht oder gar nicht bezahlte, sozialversicherungsfreie Arbeitskraft ("domestic workers"), die die steigende Nachfrage nach Niedriglohn-Service und effektiverem Zeitmanagement privilegierter Frauen bedient (Lutz, 93). Neben dem niedrigen Klassenstatus dieses neuen Frauenproletariats, der Trivialisierung ihrer Tätigkeiten, den Ausbeutungsverhältnissen, der ständigen Aufgabenüberlastung und einer "rassistisch motivierten Diskriminierung" (Hess, 106) führt ihre häufi g klandestine Existenz zu vor-modernen Formen der Machtausübung (Thiessen, 142f). Eine Reihe entsprechender Normierungsstrategien und degradierender Praxen werden thematisiert: moralische Abwertung, Schikanen, ständige Kontrolle bei der Arbeit, Drohungen, psychische und physische Gewalt, sexueller Missbrauch. Aus semiologischer Sicht analysiert Thiessen, wie beim "Umgang mit Schmutz" die Gefahr besteht, "mit Schmutz identifi ziert und ausgegrenzt zu werden" (149). Gleichzeitig wird die Ausnutzung im Rahmen der Hausarbeit als "Bildungsprogramm für die ›armen‹, ›rückständigen‹" Migrantinnen dargestellt - deren Arbeit gilt nicht als Produktionsprozess, sondern als "Gefallen und Entwicklungshilfe" (Hess, 113) und wird durch Begriffe wie "Kulturaustausch" (103) abgewertet. Was Hess das "Narrativ vom zurückgebliebenen Osten" nennt, beschreibt die Ausnutzung des "osteuropäischen Dienstmädchens" (113) unter dem Mantel eines Erziehungsauftrages. Die Verfügungsmacht über das Dienstmädchen zeigt sich nicht nur auf der Ebene der Arbeitsverhältnisse, sondern auch in Verhaltensanweisungen. Eine deutsche Arbeitgeberin sagte dem Au Pair: "Du sollst versuchen, dich an unser Sparbewusstsein anzupassen, das ist auch später nützlich für dich." (ebd.). Hier wird Kapitalismus nicht nur auf der ökonomischen und politischen, sondern auch auf der ideologischen und kulturellen Ebene als legitimes und natürliches System inszeniert. Doch will der Band nicht nur geschlechtsdiskriminierende Aspekte innerhalb der Hausarbeit zusammentragen, sondern auch Vorschläge zur graduellen Entproletarisierung ihrer Arbeitskräfte machen - Schaffung von Dienstleistungspools, Verrechtlichung durch Bagatellisierung der Schwarzarbeit und Aufwertung der Profession (Claudia Weinkopf, 163).
Obgleich sich die Beiträge mit unterschiedlichen Aspekten der Frauenproletarisierung auseinandersetzen, heben sie einen wichtigen gemeinsamen Theorieansatz hervor: Die Arbeitsbeziehungen zwischen Frauen sind primär auf eine (trans)nationale Klassenhierarchie bezogen, die sich auch als Geschlechtshierarchie interpretieren lässt. Die Proletarisierung der Hausarbeit und die Neo-Feudalisierung der Arbeitsverhältnisse weisen auf eine ökonomische und politische Machtasymmetrie hin, die die Klassendifferenz verdeckt und sie als Geschlechtsdiskriminierung darstellt. Die Klassendifferenz ist, wie das Buch zeigt, auch unter dem Aspekt der Geschlechtsdifferenz nicht wegzudenken.
Autorin: Maria Markantonatou

Quelle: Das Argument, 45. Jahrgang, 2003, S. 490-491