Heike Pethe: Internationale Migration hoch qualifizierter Arbeitskräfte. Die Greencard-Regelung in Deutschland. Wiesbaden 2006. 363 S.

Die Dissertation von Heike Pethe setzt sich mit der Migration hoch qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland auseinander. Heike Pethe grenzt die Gruppe der hoch qualifizierten Migranten auf ausländische IT-Fachkräfte ein, die im Rahmen der so genannten Greencard-Regelung zwischen den Jahren 2000 und 2004 nach Deutschland gekommen sind. Bei dieser Gruppe handelt es sich um rund 18.000 ausländische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, die seinerzeit eine bis zu fünfjährige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Deutschland erhalten haben. Die Greencard-Regelung kann heute als eine Vorstufe des neuen Zuwanderungsgesetzes gelten, das seit dem Jahr 2005 die Einwanderung nach Deutschland neu regelt.

Pethes Arbeit hat den Anspruch, die Steuerung der Zuwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften nach Deutschland zu untersuchen. Dabei geht es ihr im Kern um die Rekrutierung der ausländischen IT-Fachkräfte für die deutschen Unternehmen. Aus einer Kritik an dem Brain Drain-Ansatz, der nach Pethes Einschätzung zu einseitig auf einer Makroebene die Auswirkungen einer dauerhaften Abwanderung von hoch qualifizierten Arbeitnehmern aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer betrachtet, und dem Brain Exchange-Ansatz, der ebenfalls auf einer Makroebene einen zirkulären Wanderungsprozess zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern beschreibt, leitet die Autorin ihren eigenen stärker akteursbezogenen Zugang ab, der bei den Unternehmen und vor allem bei den Migranten selbst ansetzt. Theoretisch stützt sich Pethe hierbei auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Migration Channel Approach, der die Migrationskanäle auf der Mesoebene für hoch qualifizierte Arbeitskräfte zwischen den Herkunfts- und den Zielländern untersucht und modellhaft darstellt.
In ihrem empirischen Teil wertet Pethe zunächst ausführlich und gewissenhaft statistische Daten der heutigen Bundesagentur für Arbeit aus und vergleicht auf diese Weise die Zuwanderung hochqualifizierter IT-Arbeitskräfte in der Folge der Greencard-Regelung mit der früheren Zuwanderung von IT-Fachkräften nach Deutschland, die durch die Anwerbestoppausnahmeverordnung bereits möglich war. Es zeigt sich, dass die Greencard-Regelung zu neuen Herkunftsländern und einer höheren Beschäftigung der Zuwanderer in kleinen und mittleren Unternehmen geführt hat, die breiter über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind.
In einem zweiten Schritt nutzt Heike Pethe eine repräsentative Umfrage des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung bei informationsintensiven Dienstleistungsbetrieben in Berlin und München, mit der die Verflechtungen dieser Unternehmen in den beiden Metropolregionen analysiert wurden. Die Erkenntnisse über die Rekrutierung ausländischer ITFachkräfte aus dieser umfassend angelegten Befragung sind leider etwas dünn und zeigen im Kern, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen international Arbeitskräfte rekrutieren.
Sehr viel ergiebiger ist die Auswertung der eigenen qualitativen Befragung von 26 Betrieben im Großraum München und von 18 ausländischen IT-Fachkräften sowie von weiteren Experten, die sich beruflich mit den Fragen der Zuwanderung beschäftigen. Hier liegt der Schwerpunkt der eigenen, ausgesprochen gründlich durchgeführten empirischen Untersuchung von Heike Pethe. Es wird deutlich, dass vor allem bei den Migranten selbst eine Vielzahl an unterschiedlichen Kontakten und differenzierten Motivationen zur neuen Arbeitsstelle in Deutschland führen. Das Internet hat für die Unternehmen gegenüber Personalberatern als Medium der Vermittlung von Arbeitskräften an Bedeutung gewonnen. Viele interessante Aspekte wie beispielsweise das Konkurrenzverhältnis zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Arbeitsmarkt belegen in der Arbeit von Pethe eindrucksvoll, dass qualitative Interviews einen Gewinn für die Ergebnisse einer empirischen Arbeit bedeuten können. Es zeigt sich in der Motivforschung auch, dass es Migranten nicht nur klassisch um Verdienstmöglichkeiten oder Karrieregesichtspunkte, sondern auch um attraktive Arbeitsherausforderungen und persönliche Lebensziele bei der Wahl eines Arbeitgebers in Deutschland geht. Die sozialen und kulturellen Verbindungen der ausländischen hochqualifizierten Arbeitskräfte können Migration besser erklären als Unternehmensverflechtungen der Arbeitgeber. Deshalb - so eine Schlussfolgerung aus der Arbeit - ist es ratsam, bei den Betroffenen selbst auch in der Wanderungsforschung anzusetzen.
So steht Heike Pethe mit ihrer Arbeit allgemein theoretischen Ansätzen auf der Makroebene kritisch gegenüber und kommt deshalb zu einer stärker akteursbezogenen Betrachtung. Dieser Zugang mit dem Fokus auf die individuellen Motive der Migranten zeigt interessante Erkenntnisse und kann zu einer besseren Erklärung des Wanderungsgeschehens von ausländischen Fachkräften in einer globalisierten Wissensgesellschaft beitragen.
Vor dem Hintergrund des prognostizierten Fachkräftemangels in der Folge des demographischen Wandels und der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft hat Heike Pethe mit ihrer Dissertation ein hochaktuelles Thema aufgegriffen, das in Deutschland in den vergangenen Jahren in der gesellschaftspolitischen Debatte einen hohen Stellenwert hatte. Es gelingt Heike Pethe mit ihrer umfassenden Arbeit, zu dieser Diskussion interessante Erkenntnisse durch ihre gründlich und methodisch breit angelegte empirische Arbeit zu liefern und damit auch zu einer Versachlichung der gesamten Diskussion über die Zuwanderung nach Deutschland beizutragen. Die Arbeit sollte deshalb eine weite Verbreitung auch außerhalb des geographischen Fachdiskurses finden.
Autor: Claus-C. Wiegandt

Quelle: Erdkunde, 62. Jahrgang, 2008, Heft 2, S. 178-179