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Kategorie: Rezensionen

Cordula Neiberger und Heike Bertram (Hg.): Waren um die Welt bewegen. Strategien und Standorte im Management globaler Warenketten. Mannheim 2005 (Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung 11). 124 S.

Die Unternehmen der Güterverkehrsbranche haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Einfluss von Deregulierungs-, Liberalisierungs- und Globalisierungsprozessen zu logistischen Dienstleistungsunternehmen entwickelt, die komplexe Aufgaben in der Organisation von Wertschöpfungsketten übernehmen und entscheidend zur Vernetzung der Weltwirtschaft beitragen. Der Sammelband präsentiert acht inhaltliche Beiträge eines interdisziplinären Workshops zum Wandel dieser Branche. Strukturiert ist der Band in drei Schwerpunktbereiche.

Ein erster Schwerpunkt widmet sich der Neuorganisation globaler Warenketten und den Anforderungen, die daraus an die Logistikorganisation produzierender Unternehmen entstehen. Die ersten beiden Beiträge von HEIKE BERTRAM und AXEL NEHER geben in allgemeiner Form und mit theoretischen Bezügen einen Überblick über Organisationsformen im Management globaler Warenketten und der veränderten Anforderungen an logistische Dienstleistungsunternehmen sowie internationaler logistischer Lösungsstrategien aus der Perspektive von Industrieunternehmen. Lobenswert ist das Bemühen diese eher allgemeinen Beiträge mit einem Fallbeispiel abzurunden, doch dieses (STEPHAN LAMMERS und MICHA NEUBAUER) fällt trotz einiger konkreter Einsichten in logistische Anpassungskonzepte an wichtigen Einflussfaktoren auf die Logistik vergleichsweise knapp und stellenweise in Form einer unternehmerischen Selbstdarstellung aus.
Der zweite Schwerpunkt thematisiert die Reorganisation und Internationalisierung von Logistikunternehmen. Sehr informationsreich ist der Beitrag von CHRISTOPH DÖRRENBÄCHER, der die Reorganisation europäischer Post- und Bahnunternehmen in den 1990er Jahren behandelt. In Folge von Liberalisierungen und Deregulierungen der Transportmärkte kam es zu erheblichen Veränderungen der Geschäftsorganisation sowie zu Strategieänderungen in den Unternehmen. Nach einer allgemeinen Erklärung dieser Dynamiken werden anhand von acht Fallbeispielen (4 Postunternehmen und 4 Güterbahnen) zum Teil recht beträchtliche Unterschiede in den jeweiligen Reorganisationsprozessen aufgezeigt. Der Beitrag von CORDULA NEIBERGER, der sich mit Luftfrachtspeditionen auseinandersetzt, bildet nicht nur eine gute Ergänzung zum vorherigen Beitrag, sondern liefert eine willkommene, da über Fallbeispiele hinausgehende empirische Analyse von n = 60 Speditionen mit Augenmerk auf deren sozio-institutionelle Integration und Reichweite. DIETRICH VON HELLDORF gibt einen interessanten Einblick in die Sichtweise eines international operierenden Speditionsunternehmens auf die aktuellen Herausforderungen der Logistikbranche, wenngleich auch hier gerne auf einige Passagen unternehmerischer Selbstdarstellung hätte verzichtet werden können.
Der dritte Schwerpunkt letztlich richtet den Blick auf logistische Knotenpunkte der Weltwirtschaft. MICHAEL HOLLENHORST beschreibt vorwiegend die Vorteile, die sich aus der Liberalisierung in der Flughafenbranche erwachsend in einer Internationalisierung von Flughafenbetreibern niederschlägt. Dabei werden Einblicke in Privatisierungsmodelle, Hintergründe und Motive von Akteuren unter Nennung von Fallbeispielen gewährt. HELMUT NUHN wirft schließlich einen vielschichtigen Blick auf die veränderte Rolle von Seehäfen, indem er Ursachen, Ausprägungen und Folgen von Deregulierungs-, Privatisierungs-, Globalisierungs-, Innovations- und Seeverkehrsorganisationsprozessen aufzeigt.
 "Waren um die Welt bewegen" ist ein insgesamt sich an manchen Stellen zwar wiederholender, aber über weite Strecken lesenswerter, viele neue Einsichten und vor allem Hintergründe liefernder Sammelband zu einer mutierenden Branche, die verschiedenen Prozessen und Einflüssen unterworfen ist. Den Herausgeberinnen ist es gelungen, vielfältige Sichtweisen aus Praxis und Wissenschaft zum Thema zusammenzuführen. Zum Verständnis tragen insbesondere auch zahlreiche gut konzipierte modellhafte Abbildungen bei.
Autor: Jürgen Rauh

Quelle: Erdkunde, 62. Jahrgang, 2008, Heft 4, S. 365-366