Barbara Brower and Barbara Rose Johnston (HG): Disappearing peoples? Indigenous groups and ethnic minorities in South and Central Asia.  Walnut Creek 2007. 275 S.

Dass die Globalisierung zunehmend auch peripher gelegene und bislang isolierte Regionen erreicht und einen Homogenisierungszwang auf die hier lebenden ethnischen Minderheiten ausübt, ist der Ausgangsgedanke für das Buch von B. BROWER und B. R. JOHNSTON. Beide Wissenschaftlerinnen sorgen sich um den Verlust von human diversity. Als eine betroffene Region identifizieren sie den Hochgebirgsgürtel Süd- und Zentralasiens, für die sie verschiedene Fallbeispiele zusammentragen. Dabei haben die Herausgeberinnen ein weit gefasstes Verständnis dieses Großraums, weshalb der Sammelband z.B. auch über die Lezghi, einer Minderheit im Grenzgebiet zwischen Aserbaidschan und Südrussland, sowie über die am Gelben Fluss beheimateten Menhe Mangghuer berichtet.

In einem einführenden Kapitel wird die Idee des Buches dargelegt. Eine kritische Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen der behandelten Thematik wie Ethnizität, Identität oder kulturelle Diversität bleibt indes aus, so dass kein theoretischer Anspruch zu erkennen ist. Das primäre Ziel, das diese Publikation verfolgt, ist vielmehr die Dokumentation von Kenntnissen über betroffene indigenous groups und ethnic minorities in Süd- und Zentralasien. Da hier jedoch eine Vielzahl von ethnischen Gruppen lebt, ist eine Auswahl unvermeidlich. Allerdings bleiben BROWER und JOHNSTON ihren Lesern eine Antwort schuldig, nach welchen Kriterien sie Beispiele aus dem mosaic of people across South and Central Asia ausgewählt haben.
Die Stärke dieses Sammelbands liegt in den zwölf Fallbeispielen selbst. Neben den beiden bereits oben genannten beschäftigen sich diese mit den Dom, Hazara, Kashmiri, Wakhi, Badakhshani, Tharu, Raika, Tibetern, Bhil und sog. peripatetics, das sind nicht ortsgebundene Minderheiten. Die meisten Autoren sind Sozialwissenschaftler und alle sind explizite Kenner der jeweiligen Region und ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse. Sachlich und ohne zu werten, berichten die Autoren über die hier lebenden Minderheiten. Alle Kapitel sind nach dem gleichen Muster aufgebaut: Neben einer Charakterisierung der ethnischen Gruppe und ihrer Verortung in einer schlichten Karte werden u.a. die Aspekte Lebensraum, Geschichte, Unterhaltssicherung und Überlebenskampf (threat of survival ) beleuchtet. Jedes Kapitel schließt mit einigen Anregungen zum Weiterdenken sowie mit einer Liste von textbezogenen Fragen, wie sie im angloamerikanischen Sprachraum für Studienbücher typisch sind.
Bei aller Heterogenität der Fallbeispiele zeigen sich doch Gemeinsamkeiten in den Herausforderungen, die die betroffenen Gruppen im Zuge der Globalisierungen zu schultern haben. Es sind die Folgen von zunehmender Militarisierung, Drogenhandel, Holzraubbau, Umweltzerstörung, Diskriminierung, Modernisierungsmaßnahmen und Migration, mit denen sie konfrontiert sind, auf die sie Antworten finden müssen und die zu Verlusten (etwa von Sprachen oder Traditionen) führen können. Es sind insbesondere diese Unterkapitel, die die Lektüre des Buches zu einem Gewinn machen, und es ist das Verdienst der beiden Herausgeberinnen, dieses Autorenteam zusammengebracht zu haben und dem Sammelband durch den Fokus auf aktuelle Herausforderungen einen roten Faden zu geben.
Autorin: Hiltrud Herbers

Quelle: Erdkunde, 62. Jahrgang, 2008, Heft 4, S. 373